„Das hat schon seine Richtigkeit“, „Der wird es schon verdient haben“ – solche Aussagen hört man oft von Personen, die sich nicht näher mit dem Instrument des bundesweiten Stadionverbots (kurz: SV) befasst haben. Dabei fällt bei näherer Betrachtung auf, dass die Vergabepraxis dieses einschneidenden Verbots bei sehr vielen Vereinen unterschiedlich ausfällt und SV’s viel zu oft viel zu voreilig ausgesprochen werden. Im Folgenden wollen wir daher zwei Beispiele von Mitgliedern der Fan-Hilfe Mönchengladbach erläutern, die viel unterschiedlicher nicht hätten ausfallen können und daher exemplarisch für das Dilemma stehen.
Fall #1:
Am 31.10.2015 kam es beim Auswärtsspiel von Borussia bei Hertha BSC zum Abbrennen von Pyrotechnik im Gästeblock. Im Nachgang der Partie wurde Fan-Hilfe-Mitglied Max* als vermeintlicher Täter seitens des Ordnungsdienstes und eines szenekundigen Beamten identifiziert. Vermeintliche Grundlage dafür waren eine dunkle Oberbekleidung und bunte, auffällige Schuhe des Beschuldigten. Max erhielt kurz vor dem Jahreswechsel eine Anzeige und die dazugehörige Vorladung der zuständigen Polizeidienststelle in Berlin zugestellt. Der Vorwurf lautete Körperverletzung gegen die Allgemeinheit. Außerdem schickt der Verein Hertha BSC einen Brief, indem die Absicht erklärt wird, ein bundesweites Stadionverbot auszusprechen.
Gemeinsam mit der Fan-Hilfe erfolgten nun zwei Schritte: Einerseits wurde der Termin der Vorladung vom Fan-Hilfe-Anwalt Johannes Daners abgesagt und stattdessen die Akte des Ermittlungsverfahrens angefordert, andererseits setzte die Fan-Hilfe ein Schreiben an den Verein Hertha BSC auf, in dem unter Schilderung des aktuell schwebenden Verfahrens um eine Aufschiebung der geplanten Aussprechung des SV’s gebeten wurde. Hertha BSC kam dieser Bitte lobenswerter Weise nach.
Die Akte des Ermittlungsverfahrens beinhaltete u.a. ein unscharfes Handyfoto und vage Aussagen von Augenzeugen. In der Zwischenzeit hatte die Fan-Hilfe öffentlich zugängliches Fotomaterial gesichtet, welches den Beschuldigten eindeutig entlasten konnte. Auf den besagten Fotos war er über die gesamte Dauer der pyrotechnischen Aktion in mehreren Metern Entfernung zum „Tatort“ zu sehen. Rechtsanwalt Daners übermittelte die entlastenden Fotos der zuständigen Staatsanwaltschaft und kürzlich wurde das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Fall #2:
Am 30.4.2016 spielte Borussia beim FC Bayern in München. Fan-Hilfe-Mitglied Moritz* wird noch vor dem Spiel von Beamten der Münchner Polizei in Gewahrsam genommen. Ihm wird vorgeworfen an einem räuberischen Diebstahl beteiligt gewesen zu sein, der sich vor dem Stadion abgespielt hat. Moritz bestreitet die Vorwürfe.
Im Nachgang erhält das Fan-Hilfe-Mitglied erst einen Brief vom FC Bayern, in dem erklärt wird, dass wegen des Tatvorwurfs die Absicht besteht ein bundesweites Stadionverbot auszusprechen. Ähnlich wie im Berliner Fall #1 schreibt die Fan-Hilfe stellvertretend für ihr Mitglied, dass aktuell noch nicht einmal ein Schreiben des Ermittlungsverfahrens vorliegt, geschweige denn Akteneinsicht genommen werden konnte. Mit Hinweis auf das schwebende Verfahren wird um die Aufschiebung der Aussprechung des SV’s gebeten.
Der FC Bayern reagierte gar nicht auf das Schreiben der Fan-Hilfe und sprach ein bundesweites Stadionverbot gegen unser Mitglied aus. Die Anzeige ist eingetroffen, während das Stadionverbot bereits ausgesprochen war. Obwohl das Verfahren, genau wie im ersten Fall, offen ist und es noch keine Anklage gibt, hat Moritz in dieser Saison noch kein Spiel seines Vereins im Stadion gucken dürfen. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
Trotz der nahezu identischen Ausgangslage beider Verfahren könnte der Umgang der Vereine mit unseren beiden Mitgliedern kaum unterschiedlicher sein. Bei einer Vergabepraxis wie der des FC Bayern, bei der ein Stadionverbot noch weit vor einem möglichen Urteil ausgesprochen wird, fehlt jedes rechtsstaatliche Prinzip. Dass die Vereine durch das Hausrecht und die Stadionverbotsrichtlinien die Möglichkeit zu dieser fragwürdigen Art der Vorverurteilung haben, bedeutet nicht, dass man auch davon Gebrauch machen muss.
Viel mehr fordern wir als Fan-Hilfe, dass ein Stadionverbot nicht ohne eine juristische Grundlage ausgesprochen werden darf. Zu bestimmen, ob diese Grundlage vorliegt, obliegt jedoch den deutschen Gerichten, nicht den Stadionverbots- und Sicherheitsbeauftragten von Fußballvereinen. Die Devise muss daher lauten: Kein Stadionverbot ohne Urteil!
Ausdrücklich einschließen in unsere Kritik wollen wir natürlich nicht nur den FC Bayern München, sondern auch alle anderen Vereine, die SV’s lediglich auf der Grundlage von Ermittlungsverfahren aussprechen – inklusive unserer Borussia.
* Namen geändert