Polizei Mönchengladbach besteht trotz Verwechslung auf Konsequenzen

Das Spiel gegen RB Leipzig beschäftigt nicht nur drei auf fragwürdige Weise mit Hausverboten belegte Fans (die Fanhilfe berichtete). Auch für Jonas Schmidt* (*Name geändert) gab es vor einigen Tagen beim Gang zum Briefkasten eine böse Überraschung.

Im dort liegenden Brief der Mönchengladbacher Polizei wurde Jonas einer körperlichen Auseinandersetzung mit Gästen aus Leipzig beschuldigt. Erkannt wurde er bei der fraglichen Aktion auf frischer Tat wohl von den sogenannten Szenekundigen Beamten (SKB). Aus diesem Grund solle er sich nicht nur als Beschuldigter äußern, sondern ebenfalls zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung im Polizeipräsidium einfinden. Finger- und Handflächenabdrücke, Ganz- und Teilkörperfotos sowie die Dokumentation körperlicher Merkmale sollten erfolgen.

Jonas handelte goldrichtig: Er meldete sich unverzüglich bei der Fanhilfe. Im Normalfall würden wir in einem solchen Fall die Prüfung und bestenfalls Verhinderung der ED-Behandlung durch einen Anwalt veranlassen und Akteneinsicht beantragen. Der Fall von Jonas jedoch sorgte für Verblüffung und lag etwas anders.

Denn: Zum fraglichen Tatzeitpunkt am Spieltag gegen Leipzig verweilte er in 650 Kilometer Entfernung in Nordfriesland und genoss das gute Wetter am Strand. Die Identifizierung der Szenekundigen Beamten war ganz offensichtlich falsch.

Aufgrund des offenkundigen Fehlers der Beamten hielten wir die Einschaltung eines Anwalts samt damit verbundener Kosten für vermeidbar. Jonas rief also beim zuständigen Sachbearbeiter an, schilderte seine Verwunderung in Anbetracht des Vorwurfs und legte dar, dass er zur fraglichen Zeit im Urlaub war. Dafür konnte er auch gleich mehrere Beweise anbringen.

Sache erledigt? Leider nicht. Die Maßnahme sei angeordnet, Jonas habe zum genannten Termin zu erscheinen oder einen alternativen Termin zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu vereinbaren. Der Urlaub in 650 km Entfernung und auch die eindeutigen Belege dafür hätten keine Auswirkungen auf die Erforderlichkeit der Maßnahme, die der Durchführung des Strafverfahrens gemäß § 81b 1. Alt., 483 ff. Strafprozessordnung dient.

Reichlich verdutzt meldete Jonas sich mit dieser Rückmeldung erneut bei der Fanhilfe, die daraufhin dann doch einen Anwalt einschaltete und die Angelegenheit nun auf diesem Wege klären wird.

Und die Moral von der Geschicht‘?

  • …im Urlaub zu sein schützt vor Strafanzeige nicht.
  • …Unschuld schützt vor ED-Behandlung nicht.
  • …SKB’s haben nicht die beste Sicht.

Fanhilfe Mönchengladbach

Wie die Medien eine Falschmeldung verbreiteten und Borussia Mönchengladbach aufgrund der Falschmeldung Sanktionen ausspricht

Seit Red Bull vor zehn Jahren in Leipzig Fuß gefasst hat, sind Spiele gegen das neueste Franchise des Unternehmens ein Aufreger für die Fanszenen, die damit konfrontiert sind. Ebenso wie überall sonst in Deutschland protestieren auch Fans in Mönchengladbach seit Jahren gegen ,,RB‘‘ und ebenso wie überall sonst in Deutschland sorgen Protestaktionen für erhitzte Gemüter und unterschiedliche Auffassungen über die Grenzen des Sagbaren.

Bereits vor zwei Jahren ereiferte sich der in Mönchengladbach für Fußballangelegenheiten zuständige Oberstaatsanwalt Gathen ein Ermittlungsverfahren wegen eines Banners einzuleiten. Die Fanhilfe berichtete seinerzeit, begleitet das nach wie vor laufende Verfahren, in dem die Fans in erster Instanz freigesprochen worden sind und wird über den baldigen Ausgang berichten.

Das letzte Aufeinandertreffen sorgte nun abermals für Diskussionen, da in der Nordkurve neben zahlreichen anderen Spruchbändern auch Banner mit vermeintlich beleidigenden Inhalten gezeigt worden sind. Neben einem an Ralf Rangnick gerichteten Spruchband sorgten auch Spruchbänder für Diskussionen, die die Worte ,,Bullen‘‘ beinhalteten, da sie sich nicht nur gegen den Gegner des Tages, sondern auch die Polizei gerichtet haben könnten.

Die Fanhilfe Mönchengladbach als Rechtshilfe Gladbacher Fußballfans wird sich an dieser Stelle nicht an einer Diskussion beteiligen, was im Stadion zum guten Ton gehören sollte. Die Interpretation des Borussen-Kodex obliegt der Fanszene, die ihn sich auferlegt hat. Wie die Fanszene ihren Protest formuliert, ob sie sachlich bleibt, auf Provokation setzt oder auch beleidigend wirkt, das sehen wir als ureigene Entscheidung der Fanszene selbst an.

Neben diesem selbst gegebenen Kodex der Fanszene kennt das Strafgesetzbuch zwar auch den Tatbestand der Beleidigung, das Grundgesetz jedoch ebenso den Artikel 5 Absatz 1, der die Meinungsfreiheit beinhaltet.

Zu den besagten „Bullen“-Plakaten ist festzuhalten, dass nicht von einer Strafbarkeit nach § 185 StGB ausgegangen werden kann. Sowohl der Bezug zum Gegner aus Leipzig, der sich selbst so bezeichnet, als auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Kollektivbeleidigung, schließen eine Strafbarkeit der fraglichen Äußerungen aus. In Bezug auf das an Ralf Rangnick gerichtete Spruchband ist es einerseits fraglich, inwiefern die bloße Erwähnung der Krankheit bereits eine Schmähung darstellt und andererseits würde es sich hier um ein Antragsdelikt handeln, welches ohne eine Anzeige des Betroffenen ohnehin nicht strafrechtlich verfolgt werden würde.

Die Fanhilfe geht daher davon aus, dass die Plakate, die für die Diskussionen gesorgt haben, keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen.

Darüber hinaus stellt die Fanhilfe Mönchengladbach fest, dass eine von mehreren Medien im unmittelbaren Nachgang des Spiels verbreitete Meldung schlicht erfunden war: Express, BILD, NRZ, MSN, Welt und andere titelten und schrieben unmittelbar nach dem Spiel von drei Verhaftungen wegen beleidigender Banner.

In der Zwischenzeit hat sich ergeben, dass die durch die Medien verbreitete Falschmeldung ihren Ursprung bei Borussia Mönchengladbach selbst hatte. So war es Markus Aretz, im Verein Direktor für Medien und Kommunikation, der in der Pressekonferenz nach dem Spiel von „drei Verhaftungen noch während des Spiels“ sprach. Die Fanhilfe bleibt bei ihrer Kritik, dass journalistische Sorgfalt erstens eine Prüfung des falschen Sachverhalts bedeutet hätte und zweitens ein Bezug zu den beleidigenden Bannern nicht hätte konstruiert werden dürfen. In die Kritik schließen wir aufgrund der neuen Erkenntnis jedoch auch den Pressesprecher des Vereins ein, der in diesem Fall unsauber formuliert und die Mär von Verhaftungen so erst auf den Weg gebracht hat.

Dazu ist zu sagen, dass keine einzige Verhaftung wegen eines Banners erfolgt ist. Viel mehr sind lediglich drei Fans, die ein Banner im Bereich der Südkurve aufgehangen haben, wegen der Nicht-Anmeldung vom Ordnungsdienst des Stadions verwiesen worden. Die besagten Fans mussten sich beim Verlassen das Stadions dazu noch einer einfachen Personalienkontrolle der Polizei unterziehen. Sie wurden nicht in Gewahrsam genommen oder des Platzes verwiesen, geschweige denn verhaftet. Dies wäre auch insofern überraschend, als es sich bei dem fraglichen Banner nicht um eines der diskutierten Spruchbänder handelt, sondern um den einfachen Spruch: „Fans, die den Fußball weder lieben, noch verstehen.“ Eine strafrechtliche Relevanz kann dort in keiner Weise bestehen.

Die Fanhilfe kritisiert die unsaubere journalistische Arbeit und falsche Darstellung der Tatsachen in diesem Fall auf das Schärfste. Die öffentliche Empörung über diskutable Äußerungen darf nicht dazu führen, journalistische Standards auf der Strecke zu lassen und Unwahrheiten zu verbreiten.

Nun ist die falsche Darstellung die eine Sache, handfeste Konsequenzen sind eine andere. So sprach Borussia Mönchengladbach Anfang dieser Woche Hausverbote bis zum 31.8.2019 gegen die betroffenen Fans und sperrt sie somit für den Rest der laufenden Saison sowie den Start der nächsten Spielzeit aus. Zur Begründung führt der Verein einen Verstoß gegen die Stadionordnung an, bezieht sich auf das Aufhalten in einem anderen Stadionbereich und auf das Verbot „menschenverachtende, gewaltverherrlichende, rassistische, fremdenfeindliche, diskriminierende, rechts- bzw. linksradikale, politisch-extremistisch, obszöne-anstößige oder provokative-beleidigende Parolen zu äußern“.

Der Fanhilfe Mönchengladbach erschließt sich nicht, inwiefern der oben besagte Spruch eines der zuvor genannten Kriterien erfüllt. Auch die Begründung, dass das Aufhängen des Banners im Bereich der Südkurve für das Hausverbot herhalten soll, ist insofern weit hergeholt, als dass dies seit Bestehen des Stadions regelmäßig getan wird und noch nie zu Problemen geführt haben soll.

Viel mehr verläuft sich Borussia Mönchengladbach an dieser Stelle in einen blinden Aktionismus, getrieben von Falschmeldungen der Medien und bestraft ausgerechnet drei Fans, die gerade das gemacht haben, was der Verein und andere Vertreter immer fordern: Protest und Kritik ohne Beleidigungen zu formulieren.

Mit großer Besorgnis beobachtet die Fanhilfe Mönchengladbach, dass eine gründliche Prüfung von Sachverhalten nicht mehr nur nicht in den Medien, sondern auch bei den für Sicherheitsfragen zuständigen Personen von Borussia Mönchengladbach nicht mehr stattfindet. Wir stehen den betroffenen Fans gegenüber dem Verein und den Falschmeldungen zur Seite. Den Verein fordern wir auf, die Hausverbote unverzüglich einzustellen.

Fanhilfe Mönchengladbach