Gästeblock VfB Stuttgart

Stellungnahme zur Aufarbeitung des Ordner-Einsatzes durch den VfB

Am heutigen Donnerstag hat der VfB Stuttgart sich zum aktuellen Stand der Auswertung des Ordnereinsatzes im Gästeblock am 5. März geäußert. Auch wir als Fanhilfe sind nach wie vor dabei die Geschehnisse aufzuarbeiten, geschädigte Fans und Zeugen zu kontaktieren und alle Informationen zu sammeln. Die Stellungnahme des VfB Stuttgart veranlasst uns nun jedoch, uns bereits jetzt zur Thematik zu äußern.

Bereits die erste Stellungnahme des VfB Stuttgart am 6. März, einen Tag nach der einseitigen Gewalteskalation durch den Ordnungsdienst SDS GmbH & Co. KG, nahmen viele Fans und insbesondere die Geschädigten ernüchtert zur Kenntnis. Neben der Tatsache, dass durch die Wortwahl eine beiderseitige Schuld und somit eine Auseinandersetzung zwischen Fans und Ordnern suggeriert worden ist, fehlte ein Genesungswunsch zu unserer Irritation an die Verletzten vollends.

Wir wollen an dieser Stelle klarstellen: Eine Streitigkeit im Gladbacher Gästeblock hat zwar stattgefunden, war aber erstens zum Zeitpunkt des Ordnereinsatzes bereits geklärt und zweitens nicht ansatzweise eine Rechtfertigung für das unverhältnismäßige und gewalttätige Vorgehen des Stuttgarter Ordnungsdienstes. Im Gegenteil: Schläge auf den Kopf und Tritte gegen teils am Boden liegende Wehrlose sind durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen.

Die heutige Stellungnahme des VfB Stuttgart liest sich für die betroffenen Fans, mit denen wir im Kontakt stehen, nun jedoch abermals wie ein Verharmlosung der Vorfälle. Das unverhältnismäßige Vorgehen wird zwar zugegeben, jedoch mit Verweis auf den vermeintlichen Beginn des Einschreitens (den die betroffenen Fans anders schildern) und die große Mehrzahl an friedlichen Ordnern relativiert. Ebenso wird von diffusen „personellen Konsequenzen“ der SDS GmbH gesprochen, bei denen unklar bleibt, was hiermit gemeint ist. Ein Verwarnung, eine Rüge oder ein Klaps auf die Finger? Eine überfällige Kündigung der entsprechenden Schläger oder zumindest eine Garantie, dass diese Personen nicht mehr als Ordner in einem Stadion eingesetzt werden, gibt es jedenfalls nicht.

Den geschädigten Fans hilft es derweil wenig, dass der Großteil der Ordner nicht auf sie eingeprügelt hat. Ein Fan beispielsweise klagt bis heute über Schmerzen sowie Nachwirkungen und muss sich zeitnah in physiotherapeutische Schmerzbehandlung begeben. An dieser Stelle mit einem Täter-Opfer-Ausgleich zu argumentieren, mit dem gegebenenfalls nur eine strafrechtliche Aufarbeitung der Vorfälle umgangen werden würde, wird hier nicht ausreichen. Eine konsequente Ahndung der Vorfälle lässt der VfB Stuttgart bis jetzt vermissen und ist dringend gefordert.

Ausdrücklich bedanken möchten wir uns hingegen bei den vielen Fans des VfB Stuttgart, die im Nachgang der Vorfälle ein sehr viel empathischeres Bild als ihr Verein abgegeben haben, weitere Vorfälle mit der SDS GmbH geschildert haben und den verletzten Gladbachern baldige Genesung gewünscht haben – im Gegensatz zum VfB Stuttgart selbst, der diese Wünsche auch in der zweiten Stellungnahme vermissen lässt.

Fanhilfe Mönchengladbach

Wenn jeder Fanmarsch strafbar wird – Fanhilfen NRW und LAG Fanprojekte kritisieren das geplante Versammlungsgesetz

Mit großer Sorge nehmen wir, die Fanhilfen aus Nordrhein-Westfalen sowie die Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (LAG), den aktuellen Gesetzesentwurf der Landesregierung zur Einführung eines Versammlungsgesetzes zur Kenntnis, der am 6.5. im Innenausschuss beraten und noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Der unbestimmte Wortlaut sowie die Anwendbarkeit des Versammlungsgesetzes auch auf schlichte An- und Abreisen bei Fußballspielen lassen uns befürchten, dass bald jeder noch so friedliche Fanmarsch zu Strafverfahren gegen Fußballfans führen wird.

Fanmärsche sind elementarer Bestandteil der Fankultur. Sei es der einfache Gang vom Bahnhof zum Stadion bei einem Auswärtsspiel, ein organisierter Marsch durch die Stadt im Europapokal oder eine Demonstration mit fanpolitischem Inhalt – die Bilder von tausenden Fans, die durch die Straßen einer Stadt ziehen, sind jedem Sportbegeisterten vor Augen. Nicht selten sind die Fans dabei in einheitlichen (Vereins-) Farben oder in extra angefertigten Mottoartikeln unterwegs.

Diese Bilder könnten bald der Vergangenheit angehören. Bereits heute ist das bestehende Versammlungsgesetz anwendbar auf Fußballfanmärsche aller Art und kann beispielsweise zu Ermittlungsverfahren führen, wenn Schals im Winter zu weit oben im Gesicht getragen werden – Stichwort „Vermummung“. Der Gesetzesentwurf der Landesregierung geht nun aber so weit, dass bereits auch nur die Teilnahme an einem Fanmarsch strafbar sein könnte, ohne, dass irgendeine konkrete Handlung vorgenommen wird.

Im Zentrum unserer Kritik steht dabei der §18 VersG-E NRW, das sogenannte Militanzverbot. Demnach soll es zukünftig verboten sein „eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder sonstige öffentliche Veranstaltung unter freiem Himmel zu veranstalten, zu leiten oder an ihr teilzunehmen, wenn diese infolge des äußeren Erscheinungsbildes
1. durch das Tragen von Uniformen, Uniformteilen oder uniformähnlichen Kleidungsstücken
2. durch ein paramilitärisches Auftreten oder
3. in vergleichbarer Weise
Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt.“

Die Formulierungen „in vergleichbarer Weise“ und „Gewaltbereitschaft vermittelnd“, bzw. „einschüchternd“ sind dabei dermaßen offen formuliert, dass jeder Fanmarsch unter diese Begriffe gefasst werden könnte. Dass dies keine paranoide Befürchtung ist, zeigt die Tatsache, dass die Polizeibehörden schon in genau diese Überlegung eingestiegen zu sein scheinen. So findet sich in einer Sachverständigenstellungnahme der Hochschule der Polizei für den Innenausschuss beispielsweise der Passus, dass das Militanzverbot ein „durchaus bestehendes praktisches Bedürfnis z.B. bei Profi-Fußballspielen“ (Prof. Dr. Norbert Ullrich) bediene. Darüber hinaus hegen wir aufgrund des unbestimmten Wortlauts starke Zweifel am verfassungsimmanenten Bestimmtheitsgrundsatz des Gesetzes.

Aus dem für sich allein problematischen Militanzverbot ergibt sich darüber hinaus das Problem, dass ein vermehrter Einsatz polizeilicher Maßnahmen gegen Fußballfans zu befürchten ist. Nach §14 VersG-E NRW (Gefährderansprache, Untersagung der Teilnahme oder Anwesenheit und Ausschluss von Personen) sollen zukünftig, sofern Annahmen vorliegen, dass eine Person gegen das Militanzverbot verstoßen wird, polizeilich präventive Maßnahmen (namentlich: Gefährderansprache, Teilnahmeuntersagung/-ausschluss, Meldeauflage) gegen diese Person ergriffen werden können.

Im Klartext heißt das: Wenn jeder Fanmarsch potenziell unter das Militanzverbot fällt, dann kann auch jeden einzelnen Fan im Vorfeld eine solche polizeiliche Maßnahme bis hin zu einer Meldeauflage treffen. Der Willkür wird an dieser Stelle Tür und Tor geöffnet.

Neben diesen Folgen des Militanzverbots hätte das neue Versammlungsgesetz noch weitere, teils erhebliche Auswirkungen auf Versammlungen von Fußballfans. Gemäß §16 VersG-E NRW (Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton) wären zukünftig, ab einer gewissen Größe, die bei Fußballspielen schnell erreicht sein wird, die permanente Überwachung von Fußballfanmärschen durch Drohnen zulässig, was eine neue Dimension der Überwachung und somit einen starken Eingriff in die Grundrechte der Fans darstellen würde. Darüber hinaus sehen wir die Versammlungsfreiheit durch die formalen Hürden, die das Gesetz für eine Versammlungsanmeldung vorsieht, zusätzlich eingeschränkt.

Wir rufen die Landesregierung daher eindringlich dazu auf den geplanten Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form zurückzunehmen und die Freiheit von Fußballfans, insbesondere in Bezug auf friedliche Fanmärsche, zu garantieren. Die Fankultur, die in Nordrhein-Westfalen an dutzenden Standorten und von auswärtigen Fans gelebt wird, darf nicht durch unnötige Repression unterdrückt werden.

Landesarbeitsgemeinschaft der Fan Projekte NRW
Fanhilfe Dortmund
Fanhilfe Fortuna
Fanhilfe Mönchengladbach
Fanhilfe Münster
Kölsche Klüngel
Kurvenhilfe Leverkusen
Repressionsfonds Nordkurve

10.000 Euro Schmerzensgeld – Borussia-Fan gewinnt gegen die BILD

Max G. (*Name geändert) fährt zur Europameisterschaft in Frankreich und hält plötzlich in der BILD und anderen Medien als Symbolbild für die Ausschreitungen rechter Fans her, obwohl er lediglich Bier-trinkend vor eine Kneipe in Lille stand. Daniel Tobias Czeckay, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskanzlei CSP Rechtsanwälte aus Düsseldorf, vertrat den Fan vor Gericht und schilderte der Fanhilfe den Ablauf des Prozesses und stand uns auch zu weiteren Fragen rund um Fußballfans und Presserecht zur Verfügung.

Herr Czeckay, Sie haben als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht das Verfahren eines Gladbacher Fans gegen die BILD und andere Medien geführt. Was war der Ausgangspunkt des Falls?
Im Jahr 2016 fuhr der betroffene Borussia-Fan als Zuschauer zu einem Europameisterschaftsspiel in Frankreich, Deutschland gegen die Ukraine in Lille. Im Rahmen dieses Spiels kam es zu Ausschreitungen in der Stadt, über die in den deutschen Medien breit berichtet worden ist. Als Symbolbild für diese Berichterstattung wurde von mehreren Medien und unter anderem eben auch der BILD ein Foto aus der Innenstadt Lilles genutzt, auf dem mein Mandant Max G. zu sehen ist. Allein: Max war gar nicht an den Auseinandersetzungen beteiligt – er war nicht einmal in der Nähe der besagten Auseinandersetzungen, geschweige denn wurde er von den Ermittlungsbehörden in der Hinsicht beschuldigt.
Vielmehr kam er am Bahnhof an, lief an einer nahegelegenen Kneipe vorbei und genoss ein kühles Bier. Im Umfeld der Kneipe standen weitere Personengruppen deutscher Fans, mit denen der Mandant jedoch nichts zu tun hatte und von denen eine Gruppe eine Reichskriegsfahne in die Luft hielt. Diese Situation wurde von einem Pressefotografen im Bild festgehalten.
Das entstandene Foto wurde im Nachgang des Spiels dann in verschiedenen Medien als Symbolbild für die Ausschreitungen rund um das Spiel verwendet. Es sollte damit wohl exemplarisch dargestellt werden, dass deutsche rechtsradikale Fans für die Ausschreitungen verantwortlich gewesen seien und diese dabei auch rechtsradikale Zeichen und Symbole gezeigt hätten.
Der Zusammenhang, der hierbei hergestellt worden ist, war in mehrfacher Hinsicht irreführend und falsch: Erstens fanden die Ausschreitungen zu einem ganz anderen Zeitpunkt an einem ganz anderen Ort statt und zweitens sieht man auf dem Bild zwar die besagte Reichskriegsflagge, jedoch haben mehrere abgebildete Fans und insbesondere mein Mandant nichts mit dieser zu tun, sondern sind nur zufällig im Bild zu sehen.
Die beiden Zusammenhänge, in die der Fan durch die Berichterstattung gebracht worden ist, entsprachen also in keinster Weise der Wahrheit.

Das sah der Fan dann offensichtlich auch so und entschloss sich gegen die Berichterstattung vorzugehen. Wie ging es also weiter?
Genau, Max G. entschloss sich in einem ersten Schritt gegen die Berichterstattung der BILD vorzugehen – später folgten weitere Verfahren gegen andere Medien, von deren Berichterstattung der Fan zu dem Zeitpunkt noch gar nichts wusste.
Im Wesentlichen ging es im Verfahren gegen BILD um zwei Ansprüche des Mandanten: Durch einen Unterlassungsanspruch sollte die weitere Verbreitung des Bildes im besagten Kontext verhindert werden, was insbesondere in Bezug auf Online-Berichterstattung relevant war. Darüber hinaus haben wir für unseren Mandanten eine Geldentschädigung gefordert , um die ihm durch die Veröffentlichung widerfahrene Rufschädigung auszugleichen.

Wie lief der folgende Prozess dann ab?
Bereits in der ersten Instanz bestätigte das Landgericht Köln den Unterlassungsanspruch und lieferte damit den ersten Teilerfolg. Das Oberlandesgericht Köln bekräftigte dieses Urteil zweitinstanzlich und entschied erfreulicherweise auch hinsichtlich der Geldentschädigung im Sinne meines Mandanten. Er bekam in diesem Verfahren insgesamt 10.000 Euro zugesprochen. In Anbetracht der Tatsache, dass Geldentschädigungsansprüche im deutschen Presserecht leider nicht ganz einfach durchzusetzen sind, ist das doch ein deutliches Signal, dass hier ein eklatantes Fehlverhalten vorgelegen hat. Und im Übrigen bin ich auch der Meinung, dass nur die Anerkennung einer Geldentschädigung dazu geeignet ist, erlittene Persönlichkeitsverletzungen zu kompensieren und Pressevertreter für die Rechte Betroffener ernsthaft zu sensibilisieren.

Weil die Geldentschädigung den Medien dann auch, im Vergleich zur „bloßen“ Unterlassung, konkret im Portemonnaie weh tut?
Nein, das würde ich so nicht formulieren. Ich will der Presse in diesem Sinne ja nicht weh tun oder denen schaden. Ich sehe das eher von der anderen Seite, nämlich insofern, als dass nunmal dem Betroffenen weh getan wurde. Ihm wurde geschadet, solche Berichterstattungen können regelmäßig schwere und nachhaltige Folgen für das private und berufliche Leben nach sich ziehen.
So hatten wir es auch in dem vorliegenden Fall, da der Mandant durch diese Wortberichterstattung durch gewalttätige und rechtsradikale Fans und das dazu gewählte Bild in eben jenen Kontext gestellt worden ist – auf den er dann natürlich in verschiedenen Bereichen seines Lebens angesprochen worden ist. Man muss sich vor Augen führen, dass es hier ja auch nicht um eine geringe Reichweite oder irgendeine Randnotiz ging, sondern um die nach wie vor auflagen- und reichweitenstarke BILD-Zeitung. Menschen, die Opfer solcher Berichterstattungen werden, müssen mit massiven Ressentiments in verschiedenen Bereichen ihres Lebens rechnen – oft unberechtigter Weise, wie dies auch hier der Fall war.

Sah Axel Springer, bzw. die BILD, das vor Gericht auch so oder welcher Standpunkt wurde von der Presse vertreten? Wir gehen davon aus, dass ein Fehlverhalten nicht direkt und ohne Widerrede eingeräumt wurde?
Um ehrlich zu sein wurde ein Fehlverhalten bis zuletzt nicht wirklich eingeräumt. Die BILD-Zeitung hat sich vehement verteidigt und ganz offensichtilch auch nach dem zweitinstanzlichen Urteil Probleme gehabt das Urteil zu akzeptieren. Als der Senat des Oberlandesgerichts in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gab, dass dem Fan auch eine Geldentschädigung zustünde, kündigten die Juristen der BILD einen Gang zum Bundesgerichtshof bis hin zum Bundesverfassungsgericht an. Im Nachgang hat man dann wohl doch erkannt, dass dieser Gang hier wenig aussichtsreich gewesen wäre..
Verteidigt wurde sich konkret mit verschiedenen Argumenten. Insbesondere sei der Fan gar nicht in den vorgeworfenen Kontext gestellt worden, da der Leser schon erkennen würde, dass das Symbolbild nicht dem eigentlichen Inhalt des Artikels entspräche und der Mandant auch gar nicht zur Gruppe mit der Reichkriegsfahne gehören würde. Eine in meinen Augen absolut fernliegende Argumentation, da die Wort-/Bild-Kombination ausdrücklich auf diese Verbindung abzielte – was das Gericht glücklicherweise ganz genauso sah.

Kommen wir vom Einzelfall auf das generelle Spannungsfeld von Fußballfans in der Berichterstattung. Welche Probleme können sich für Fans hinsichtlich verletzender Berichterstattung ergeben?
Der Fußball steht hierzulande als Volkssport Nummer 1 natürlich unter besonderer Beobachtung. Im Stadion ist das Persönlichkeitsrecht durch den Ticketkauf nochmal anders geregelt als im normalen öffentlichen Raum, aber auch dort steht man im Fußballkontext natürlich im Fokus des öffentlichen Interesses. Durch das große mediale Interesse kann es leicht zu Situationen kommen, in denen falsche Eindrücke entstehen und Personen zu Unrecht in ein bestimmtes Licht gerückt werden.
So, wie es sich auch im vorliegenden Fall zugetragen hat, kann man leicht ungewollt in Ereignisse verwickelt werden, mit denen man eigentlich nichts zu tun hat. Wenn man nur in der Nähe einer Straftat steht, vielleicht sogar eher als Helfer in der Situation agiert hat oder sich gerade entfernen wollte, kann ein unglückliches Bild dafür sorgen, dass ich in der Presse für die eigentliche Straftat mit meinem Gesicht herhalten muss. Und wenn die Wortberichterstattung von großen Ausschreitungen, vielen Verletzten und einer neuen Dimension der Gewalt schreibt, dann bringt der Leser mich natürlich unweigerlich mit diesen Dingen in Verbindung. Das möchte niemand über sich in der BILD-Zeitung lesen.

Ein Problemfeld hinsichtlich der Medienarbeit sind für uns als Fanhilfe oftmals die Pressemitteilungen der Polizei, die von Journalisten bloß abgeschrieben und nicht kritisch hinterfragt werden. Haben Sie auch diesen Eindruck?
Das ist durchaus ein Spannungsfeld, klar. Die Ermittlungsbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft, sind dazu verpflichtet, dass sie der Presse in einem gewissen Rahmen Auskunft geben. Bei Ereignissen von öffentlichem Interesse, wie es beim Fußball oft der Fall ist, ist das nochmal häufiger der Fall und hat ja durchaus auch seine Berechtigung.
Natürlich müssen aber auch hier Grundsätze beachtet werden. Die Unschuldsvermutung, nicht vorverurteilend zu berichten, Informationen objektiv nach dem Ermittlungsstand herauszugeben – das alles ist leider nicht immer der Fall, da die Behörden sich durch den öffentlichen Druck teilweise treiben lassen.
Wehren kann man sich nur schwer gegen diese Presseberichterstattung, da die Medien hier den Vorteil haben, dass man die Behörden als privilegierte Quelle heranziehen kann. Das heißt, dass man die Angaben nicht recherchieren und vor der Veröffentlichung überprüfen muss. . Wehren muss man sich in diesem Fall gegen die eigentliche Meldung der Behörden, simultan zur Presseberichterstattung kann man auch hier Unterlassung und Amtshaftungsschadensersatz fordern.

Die letzte Frage soll denjenigen Lesern helfen, die irgendwann selbst einmal in die unangenehme Situation kommen ihr Gesicht oder ihren Namen ungerechtfertigterweise in den Medien sehen zu müssen. Was können Fans tun, wenn sie gegen eine Berichterstattung vorgehen wollen? Was ist wichtig, was muss man beachten?
Erstmal: Keine Angst vor großen Namen! Axel Springer, DuMont oder andere Medienhäuser sind natürlich große Unternehmen, aber die Rechte des einzelnen Betroffenen werden dadurch nicht kleiner. Wenn Persönlichkeits- und Bildrechte verletzt werden, wenn man geschmäht wird oder eine andere Verletzung entsteht, dann kann man seine Ansprüche geltend machen – ganz unabhängig davon, wer meine Rechte verletzt hat.
Ebenfalls keine Angst sollte man vor den finanziellen Aspekten haben, die der Gang zum Anwalt und letztendlich vor Gericht mit sich bringt. Oftmals sind die Erstberatung und eine vorläufige Einschätzung des Falls nicht gleich mit Kosten verbunden. Das heißt, dass es in jedem Fall Sinn macht, sich sofort juristischen Rat einzuholen um dann abzuschätzen, ob sich weitere Schritte – und der damit verbundene finanzielle Aufwand – lohnen. Konkret bezogen auf die Fußballthematik kann es hier natürlich auch nicht schaden die Fanhilfe direkt anzusprechen.
Und zuletzt: Schnell, schnell, schnell! Sich zeitnah und schnell gegen eine Berichterstattung zur Wehr zu setzen ist ein weiterer, wenn nicht der wichtigste Aspekt . Dem Betroffenen geht es ja gerade darum, möglichst Folgeberichterstattungen und Übernahmen durch Dritte zu verhindern. Zudem ist die Durchsetzung von Geldentschädigungen dann besser zu realisieren, da die Gerichte bei einer zu großen Verzögerung leider manchmal davon ausgehen, dass die Persönlichkeitsrechte dann schon nicht allzu sehr verletzt gewesen sein können. Ich halte diesen Ansatz persönlich zwar für falsch, aber um das zu klären haben wir jetzt keine Zeit mehr, denn im Presserecht muss es ja immer schnell gehen!

Kooperationsvereinbarung zur Einrichtung und Erhaltung von Stadionallianzen – Stellungnahme der NRW-Fanhilfen

Mit Verwunderung haben wir in der zurückliegenden Woche vernommen, dass sich die nordrhein-westfälischen Vertreter der ersten und zweiten Bundesliga sowie das Innenministerium des Landes NRW auf den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung geeinigt haben. Dabei sieht das elfseitige Papier, das am morgigen Montag (14.09.2020) von den beteiligten Vertragsparteien ratifiziert wird, die Einrichtung und Erhaltung sogenannter „Stadionallianzen“ vor, die ausgewählte Handlungsfelder des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit (NKSS) konkretisieren soll. Ziel der Vereinbarung sei, die „Sicherheit im Zusammenhang mit Fußballspielen nachhaltig zu erhöhen, der Entwicklung von Gewalt entschieden entgegen zu treten und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Akteure zu stärken“.

Wir, ein Zusammenschluss von verschiedenen Fanhilfen aus Nordrhein-Westfalen, stehen dem Abschluss einer solchen Kooperationsvereinbarung äußerst kritisch gegenüber, da sie den örtlichen Polizeibehörden unter dem Vorwand der vermeintlichen Sicherheit neue Handlungsräume eröffnet und eine verstärkte Kriminalisierung von Fußballfans erwarten lässt. Dabei sind einige Inhalte des Papiers aus unserer Sicht besonders problematisch, weswegen wir sie im Folgenden skizzieren möchten:

So sieht ein wesentlicher Punkt des Papiers vor, dass die unterzeichnenden Vereine zu öffentlichen Distanzierungen gedrängt werden können, wenn im Rahmen eines Fußballspiels „diffamierende Meinungsäußerungen“ durch Fans zu sehen oder zu hören waren. Eine solche Distanzierung „von unerwünschten Verhaltensweisen“ würde dabei „die Werteorientierung“ des jeweiligen Vereines „stärken und eine ‚Legitimierung‘ solcher Verhaltensweisen durch Verharmlosung oder Duldung“ verhindern. Hierbei ist jedoch besonders fragwürdig, dass eine Positionierung des Vereins bereits explizit unterhalb der Schwelle der strafrechtlichen Relevanz von Meinungsäußerungen eingefordert werden kann. Das erlaubt den Schluss, dass die Meinungshoheit künftig allein durch die Vertragspartner beansprucht wird, wodurch die Grenze des Sagbaren nicht mehr durch formelle Gesetze und ordentliche Gerichte, sondern durch örtliche Ordnungsbehörden definiert werden könnte.

Doch auch die Durchführung von gemeinsamen Vorbesprechungen zu Stadionverbotsfahren stellt aus unserer Sicht einen Rückschritt in Bezug auf die Vergabepraxis von Stadionverboten dar. Lange Zeit erfolgte die Aussprache eines solchen Verbots ohne das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung oder einer vorherigen Anhörung des Betroffen, wodurch Stadionverbote jahrelang in der Kritik von Fanszenen und Fanverbänden standen. Erfreulicherweise haben sich in der jüngeren Vergangenheit allerdings an vielen Standorten Verfahren etabliert, die etwa ein Anhörungsrecht des Betroffenen oder eine Einbeziehung von Sozialpädagogen vorsehen und die Verhängung eines solchen Stadionverbotes somit an höhere Hürden knüpfen. Statt diesen Weg also konsequent weiterzuführen und auszubauen, stellt die Kooperationsvereinbarung leider auch in diesem Punkt einen Rückschritt dar. So wird der Polizei hier ein weitreichendes Mitspracherecht eingeräumt, wobei sie keinen Hehl daraus macht, zeitnah und konsequent ausgesprochene Stadionverbote als legitimes Mittel zur Gefahrenabwehr anzusehen und sie mit anderen polizeilichen Maßnahmen verzahnen zu wollen. Es ist daher zu befürchten, dass die Vergabe von Stadionverboten zukünftig wieder seltener dem Ultima Ratio-Prinzip unterliegen wird.

Darüber hinaus empfinden wir auch die Forcierung einer gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit und die Schaffung „neuraligischer Punkte“ innerhalb der Stadien als problematisch. Statt die Praktiken der Polizei angesichts wiederkehrender Konflikte mit Anhängern kritisch zu begleiten oder gar auf den Prüfstand zu stellen, fördern die Vereine stattdessen eine Verschiebung des Diskurses zu Gunsten der Polizei, die sich in der Öffentlichkeit zuletzt immer häufiger für ihre Maßnahmen rechtfertigen musste. Dazu zählt auch der zweifelhafte Austausch von Informationen über Fußballfans, der bisweilen zwar immer häufiger Datenschutzbeauftragte und Verwaltungsgerichte beschäftigt, aber trotzdem durch die „Stadionallianzen“ ausgebaut werden soll.

Wir fordern die beteiligten Vereine in aller Dringlichkeit auf, den Sinn und Zweck des Schulterschlusses mit dem Innenministerium zu hinterfragen und die Ausgestaltung der „Stadionallianzen“ mindestens grundlegend zu überarbeiten. Dabei ist in unseren Augen selbsterklärend, dass eine weitreichende Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden nicht ohne die vorherige Beteiligung von Fanorganisationen, Fanprojekten und anderen etablierten Institutionen erfolgen kann. Die beteiligten Vereine sollten nicht außer Acht lassen, dass sie gerade in diesen Tagen eine große Verantwortung für ihre aktiven Fans tragen. Wir erwarten daher, dass sie sich nicht zum politischen Spielball des Innenministers machen lassen und dabei mitwirken, die Rechte von Fans in und um die Stadien weiter einzuschränken.

Fanhilfe Dortmund
Fanhilfe Düsseldorf
Fanhilfe Münster
Fanhilfe Mönchengladbach
Kölsche Klüngel
Kurvenhilfe Leverkusen
Repressionsfonds Nordkurve

Öffentlich gefahndet, dann freigesprochen – Chronologie einer Polizei-Posse

Der Blick in die am Niederrhein relevanten Zeitungen hielt Anfang März 2017 für neun Borussen eine böse Überraschung bereit. In der Rheinischen Post, Bild, Express und Co. waren ihre Gesichter im Rahmen einer Öffentlichkeitsfahndung abgedruckt. Sie wurden beschuldigt, ungefähr ein Jahr zuvor auf einer Zug-Rückfahrt aus Wolfsburg Straftaten gegen Dortmunder Fans verübt zu haben. Insgesamt liefen Ermittlungsverfahren gegen rund ein Dutzend Gladbacher.

Wir als Fanhilfe kritisierten diese Maßnahme bereits damals scharf. Die Öffentlichkeitsfahndung ist ein hartes Instrument, das einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Gesuchten darstellt. Diverse Gründe legten damals nahe, dass die Maßnahme unverhältnismäßig und rechtswidrig stattgefunden hat: So bekam eine der gesuchten Personen bereits Post wegen der Sache, andere Personen hätten der Polizei bekannt sein müssen. Darüber hinaus wurden Personen beschuldigt, die nachweislich nicht einmal in dem fraglichen Zug waren, weshalb die Zuordnung der vermeintlichen Täterschaft ohnehin dubios erschien. Unsere gesamte Stellungnahme von damals samt ausführlicher Erklärung findet ihr hier.

Die Auswirkungen einer Öffentlichkeitsfahndung sind unschwer auszumalen. Der Rechtfertigungsdruck vor Familien und Freunden ist enorm, am Arbeitsplatz können unangenehme Fragen bis hin zu handfesten Konsequenzen entstehen. Auch im vorliegenden Fall haben sich Szenen abgespielt, die für die Betroffenen unangenehmer nicht sein könnten. Ex-Freundinnen riefen bei der Polizei an und erzählten Geschichten, Chefs drohten mit der Kündigung, Familien gerieten in Streit ob der angeblichen Aktivitäten ihrer Söhne. Ein Borusse, der zu der Zeit sein Freiwilliges Soziales Jahr verrichtete, hatte aufgrund der Öffentlichkeitsfahndung massive Auflagen in seinen Tätigkeiten hinzunehmen, da man ihn nicht mehr unbeaufsichtigt lassen wollte – er stelle ja eine Gefahr dar.

Dass die Vorwürfe wenigstens nicht in allen Fällen wirklich begründet waren, musste die zuständigen Behörden im Januar 2018 einräumen: Die ersten Verfahren wurden eingestellt. Wir sahen uns damals in unserer anfänglichen Argumentation bestätigt und berichteten erneut.

Am gestrigen Donnerstag kam es dann zum Prozess gegen die übrigen sieben Beschuldigten. Im November 2018 wurde ein erster Verhandlungstermin abgesagt, da die Ermittlungsbehörden nur unvollständige Akten zur Verfügung gestellt hatten. Dass die Arbeit der Polizei nicht nur in diesem Fall mehr als fragwürdig erschien, zeigte der gestrige Verhandlungstag.

Im Laufe der Verhandlung ergaben sich durch Befragungen der ermittelnden Polizisten gleich mehrere kapitale Fehler. Den Zeugen, die die Borussen beschuldigten, waren nicht die kompletten Videos, sondern nur verkürzte Ausschnitte gezeigt worden, die gar nicht geeignet waren. Die Polizei präsentierte den Zeugen während der Ermittlungen außerdem vorgefertigte Lichtbildmappen. Auf den Fotos, die die Zeugen zur Identifikation vorgelegt bekommen sollten, waren die nachher Beschuldigten teilweise schon mit dem Zusatz „Tatverdächtiger“ gekennzeichnet.

Man übertreibt nicht, wenn man sagt, dass die Polizei den Zeugen quasi in den Mund gelegt hat, wen sie da beschuldigen sollten. Der Vorsitzende des Gerichts sowie die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zeigten sich fassungslos. Der Richter sprach wörtlich von „hanebüchener Polizeiarbeit“. Die logische Konsequenz waren Freisprüche für alle Beschuldigten.

Der Fall wirft nun mehrere Fragen auf:

  • War die Öffentlichkeitsfahndung angemessen? Nicht nur die Schwere der vermeintlichen Straftaten, sondern insbesondere auch die mehr als kuriose Zusammenstellung der Gesuchten lassen Zweifel an einer korrekten Polizeiarbeit erscheinen. Einige Betroffene hätten fraglos auch anders ermittelt werden können, letztendlich hat die Fahndung in keinem einzigen Fall zum Erfolg geführt. Sprichwörtlich gesprochen hat die Bundespolizei hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen – und das dann auch noch daneben.
  • Hat die Polizei bewusst vorverurteilend gearbeitet? Im Prozess wurde deutlich, dass auch mithilfe der Mönchengladbacher SKBs, Personen identifiziert worden sind, die den Zeugen der Tat dann bereits als Tatverdächtige präsentiert worden sind. Videos sind derart verkürzt und geschnitten worden, dass es an Manipulation grenzt. Wenn sich selbst die Staatsanwaltschaft, die sich sonst immer schützend vor die Polizei stellt und auf diese verlässt, so geschockt zeigt, dann liegt hier ein Fall massiven Fehlverhaltens der Polizei vor.
  • Können sich Medien auf die Polizei als privilegierte Quelle verlassen? Allzu oft begründet die Stellung der Polizei ein so großes Vertrauen in deren Meldungen und Aufrufe, dass diese ungefiltert und unkritisch übernommen werden, bei Pressemeldungen wird das Zwei-Quellen-Prinzip oft missachtet. Dass man sich im Zweifel so zum Gehilfen schlampiger Polizeiarbeit macht und damit das Leben der fälschlicherweise Beschuldigten auf den Kopf stellt, geht in der schnelllebigen Medienwelt glatt unter. Die Gesichter der Gesuchten als Beschuldigten wurden in Print- und Online-Versionen prominent platziert und sorgten für viel Aufsehen. Die Berichterstattung über die nun erfolgten Freisprüche fand in der Rheinischen Post Einzug in die Online-Berichterstattung, wurde auf Social Media aber nicht mal erwähnt. Bild und Express haben überhaupt kein Wort zum Ausgang des Prozesses verloren.

Wir freuen uns über die Freisprüche und die Tatsache, dass eklatante Ermittlungsfehler der Polizei aufgedeckt werden konnten sowie nicht zu falschen Verurteilungen geführt haben. Die enorme Tragweite der Öffentlichkeitsfahndung auf das Leben der Gesuchten muss aber Konsequenzen haben – für die Polizei sowie für die Arbeit von Medienschaffenden. Als Fanhilfe werden wir den Betroffenen helfen etwaige Staatshaftungsansprüche und Fortsetzungsfeststellungsklagen zu prüfen, die sich durch die fragwürdige Maßnahme der Öffentlichkeitsfahndung ergeben.

Fanhilfe Mönchengladbach

Falschdarstellung durch DFB & Borussia – Kein Täter ermittelt

Am heutigen Donnerstag veröffentlichten erst der DFB und anschließend Borussia Mönchengladbach Stellungnahmen, in der die erfolgreiche Ermittlung eines „Täters“ der Pyroaktion in Dortmund vor einem Jahr und die dadurch erwirkte Reduzierung der Strafe bejubelt werden. Die Strafe sei aus diesem Grund vor dem Sportgericht des DFB um 25 Prozent reduziert worden.

Link zum Beitrag vom DFB
Link zum Beitrag von Borussia

Wir als Fanhilfe Mönchengladbach widersprechen dieser Darstellung in aller Deutlichkeit. Die Stellungnahmen sind insofern falsch, als dass kein Täter ermittelt, keine Anklage erhoben und erstrecht kein Urteil gesprochen worden ist. Es liegt lediglich ein Ermittlungsverfahren vor. Insofern beteiligen sich sowohl der DFB, als auch Borussia an dieser Stelle an einer eindeutigen Vorverurteilung eines (im Falle Borussias eigenen) Fans.

Als wäre diese Vorverurteilung allein nicht schon schwerwiegend und kritikwürdig genug, liegt der Fanhilfe Mönchengladbach der Fall des vermeintlichen Täters vor. Dieser erfuhr im vergangenen Sommer von dem Ermittlungsverfahren gegen sich, meldete sich bei uns als Fanhilfe und hat in der Zwischenzeit einen Rechtsanwalt mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt. Der Fanhilfe liegen Foto- und Videoaufnahmen vor, die belegen, dass der besagte Fan definitiv keine pyrotechnischen Gegenstände gezündet hat.

Bei dem Ermittlungsverfahren handelt es sich also um eine Verwechslung und falsche Beschuldigung. Dies ist bereits der zweite Fall innerhalb kurzer Zeit, dass Ermittlungsverfahren aus Dortmund gegen Gladbacher Fans auf Verwechslungen oder falschen Identifizierungen beruhen. So kritisierten wir erst vor einiger Zeit ein Ermittlungsverfahren aus Dortmund, in dem Fans beschuldigt worden sind, die bei dem fraglichen Auswärtsspiel gar nicht selbst vor Ort waren.

Dass der DFB und Borussia sich an dieser Form der Vorverurteilung eines Fans beteiligen , verurteilen wir als Fanhilfe in aller Deutlichkeit. Eine Konsultation von uns als Fanhilfe oder des Betroffenen selbst fand nicht statt, hätte aber kurz und einfach Klarheit gebracht. Stattdessen suchen Verband und Verein auf der Grundlage einer falschen Beschuldigung die Öffentlichkeit. Wir fordern sowohl den DFB, als auch Borussia auf, die Stellungnahme zurückzuziehen, öffentlich richtigzustellen und eine Bewertung des Falls abzuwarten, bis dieser juristisch abgeschlossen ist.

Fanhilfe Mönchengladbach

Fanhilfen kritisieren Beschlussvorschlag für Innenministerkonferenz

Auf der anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) vom 04. bis 06. Dezember 2019 in der Hansestadt Lübeck sollen erneut Gesetzesverschärfungen gegen Fußballfans beschlossen werden.

Die IMK soll demnach unter anderem eine härtere Bestrafung des Abbrennens von Pyrotechnik, eine Reformierung des Landfriedensbruchs sowie den Entzug der Fahrerlaubnis bei Vergehen im Zusammenhang mit Fußballspielen beschließen.

Die Fanhilfen kritisieren allein die Debatte über derlei Maßnahmen als realitätsfremd, unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Erst kürzlich wurde im aktuellen Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der wiederholte Rückgang von eingeleiteten Strafverfahren und verletzten Personen im Zusammenhang mit Fußballspielen festgestellt – Ein Trend, der seit Jahren anhält. Weshalb nun also erneut Gesetze verschärft werden sollen, um Fußballfans noch mehr als ohnehin schon zu kriminalisieren, erscheint schleierhaft. Vielmehr scheint es ein erneut billigster Versuch, sich über kurzgedachte und ineffektive Maßnahmen als vermeintlich „durchgreifender“ Law-and-Order-Politiker in der Öffentlichkeit profilieren zu wollen.

Die Erfahrung der Fanhilfen zeigt, dass die bereits existierenden Gesetze und weitgehenden Strafverfolgungsmöglichkeiten bei Fußballfans im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Gruppen bis zum letzten ausgereizt werden. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wird von Polizei und anderen Behörden oftmals kaum bis gar nicht beachtet. Ohne jemals einer Straftat schuldig gesprochen worden zu sein, mit einem bereits bei Zustellung Gebühren verursachenden Betretungsverbotsbescheid bedacht zu werden, ist Zeugnis dessen genug. Ähnliches gilt für die Speicherung in illegalen Polizeidateien, ohne darüber auch nur ansatzweise informiert zu werden. Was an Fußballfans aus Sicht der Sicherheitsbehörden „erfolgreich“ getestet wurde, trifft später auch alle anderen. Inwieweit der Entzug der Fahrerlaubnis beispielsweise zu sichereren Fußballspielen beitragen soll, bzw. dass umgekehrt eine Person, die im Stadion auffällig wird, gleichzeitig nicht fahrtüchtig sein soll, bedarf ebenso mindestens einer Erklärung.

Aus Sicht der Fanhilfen handelt es sich hierbei schlichtweg um Populismus und das auf Kosten von Freiheitsrechten eines jeden Einzelnen.

Bezüglich Pyrotechnik von einer gesellschaftlichen Missbilligung und dem Ausdruck zu verleihen in einer solchen Totalität zu sprechen, erscheint überdies mindestens anmaßend in Anbetracht sicherlich durchaus abweichender Meinungen bei nicht wenigen Menschen, die tatsächlich die Fußballstadien der Republik besuchen. Nicht nur als Fußballfan, sondern auch als gemeiner Steuerzahler fragt man sich doch eingängig, ob es nicht wichtigere Themen auf einer Innenministerkonferenz zu besprechen gibt, die die Gesellschaft in der Tat derlei missbilligt.

Insbesondere im Hinblick auf negative Beispiele in eben jenen Strafverfolgungsbehörden in der jüngsten Vergangenheit sowie eine mangelnde transparente Fehlerkultur und die daraus resultierenden Folgen.

Fanhilfe Mönchengladbach

Fake News der türkischen Polizei

Die türkische Polizei reagiert aktuell auf die von uns als Fanhilfe erhobenen und in den Medien stark verbreiteten Vorwürfe mit eindeutigen Falschdarstellungen und Lügen. Wir haben in unserer Stellungnahme vom vergangenen Freitag ausführlich die Ereignisse des Donnerstagabends beschrieben – diese Darstellung ist nach wie vor korrekt und wird durch vielfache Augenzeugenberichte, die unabhängig voneinander sind und sowohl von Fans, Funktionären, als auch deutschen Zivilpolizisten bestätigt.

Um die haltlosen Behauptungen der türkischen Behörden, die zum Teil auch in den sozialen Netzwerken kursieren, nicht kommentarlos stehen zu lassen, gehen wir im Folgenden auf die Stellungnahme der Behörde ein.

Türkisches Original: 03.10.2019 günü saat 19.55 te Başakşehir Fatih Terim Stadyumunda Başakşehir-Borussia Mönchengladbach takımları arasında oynanan UEFA Avrupa Ligi grup müsabakası ile ilgili Alman kamuoyuna yansıyan 2 taraftarın gözaltına alındığı ve bayraklarının içerdiği dini semboller sebebiyle içeri alınmadığı, taraftarların zorla otobüslere bindirildiği haberleri gerçeği yansıtmamaktadır.

Deutsche Übersetzung: Meldungen dahingehend, dass beim Europa League Spiel zwischen Basaksehir und Borussia Mönchengladbach zwei Fans in Gewahrsam genommen, Fahnen, nur aus dem Grunde, dass sie religiöse Symboliken enthalten, nicht ins Stadion gelassen und Fans zum Einsteigen in Busse gezwungen wurden, entsprechen nicht der Realität.

Kommentar der Fanhilfe: Die hier getätigten drei Statements der türkischen Polizei sind allesamt falsch.

  1. Es wurden Fans zwischenzeitlich in Gewahrsam genommen, da ihnen vorgeworfen wurde, Polizisten körperlich angegriffen zu haben. Dies stellte sich durch Videoaufnahmen und Augenzeugen glücklicherweise als erfundene Lüge heraus, weshalb die Fans laufen gelassen werden mussten.
  2. Ein Fahnenverbot wurde sehr wohl mit religiöser Symbolik begründet. Wie wir ausführlich berichtet hatten, nahmen die Polizisten und Ordner an dem Stadtpatron St. Vitus Anstoß, der auf dem alten Stadtwappen abgebildet ist. Die Polizisten und Ordner schrien während der Kontrolle mehrfach ,,This is christian!‘‘ und bezogen ihr Verbot explizit darauf.
  3. Einen Vorwurf, dass Fans gezwungen worden sind in die Busse zu steigen, haben wir nie erhoben. Viel mehr wurde darauf verwiesen, dass es ein Zwang war, die Busse zu benutzen und andernfalls keinen Einlass ins Stadion zu bekommen. Diesen Zwang kann man ohne Weiteres auf den vor dem Spiel gemachten Ankündigungen nachlesen.

Türkisches Original: İstanbul Emniyet Müdürlüğü Spor Güvenliği Şube Müdürlüğünce yapılan çalışmalarda; Misafir takım seyircisi otobüslerle stadyuma güvenli bir şekilde intikal ettirilmiş, misafir seyircinin getirmiş olduğu ve aşağıda fotoğrafları bulunan pankartlar ile yine misafir seyircinin getirdiği atkı tarzındaki çeşitli materyaller Almanca bilen personelimizce kontrol edilmiş, ayrıca misafir takım seyircisi ile birlikte gelen Türkçe ve Almanca bilen misafir kulüp özel güvenlik görevlilerinin eşliğinde kontrol edilerek içeri alınmış, görüşü etkilemeyecek şekilde tribünün çeşitli yerlerine asılmalarına 6222 sayılı kanunun 7. Maddesi, 6222 sayılı kanunun uygulanmasına ilişkin yönetmeliğin 8. maddesi gereği müsabaka güvenlik amiri tarafından izin verilmiştir.

Deutsche Übersetzung: Die Abteilung Spor Sube der Istanbuler Polizei hat während ihres Einsatzes folgende Maßnahmen durchgeführt:

  1. Gästefans wurden sicher mit Bussen zum Stadion gebracht
  2. Mitgeführte Banner und schalartige Materialien wurden sowohl von Beamten, die der deutschen Sprache mächtig sind, als auch vom Sicherheitsdienst des Gastvereins kontrolliert.
  3. In Bezug auf das Gesetz mit der Nummer 6222 Absatz 7 und 8 wurde es gestattet, dass genannte Banner an bestimmten Punkten im Stadion aufgegangen werden dürfen, insofern sie keine Sichtbehinderung darstellen

Kommentar der Fanhilfe: Hierzu ist festzustellen, dass die genannten Punkte an den erhobenen Vorwürfen der Fans vorbeigehen.

  1. ,,Sicher‘‘ lief die Busanfahrt an sich zwar schon, führte durch die katastrophale Organisation der türkischen Polizei sowie deren Verzögerungen zu einer inakzeptabel späten Ankunftszeit. Dieser verursachte das Gedränge am Stadioneingang, welches wiederum aggressiv von den türkischen Polizisten beantwortet wurde.
    Dass die Fahrt nicht ,,sicher‘‘ war, war nie ein erhobener Vorwurf – sie war nur unbegründet sowie schlecht organisiert und führte daher zu Problemen.
  2. Ein türkischer Beamter, der der deutschen Sprache mächtig war, war für uns und alle anwesenden Fans zu keiner Zeit ersichtlich. Viel mehr waren die meisten Beamten auch nur rudimentär des Englischen mächtig und ein Gladbacher Ordner mit Türkischkenntnissen musste vermitteln. Auch dies war allerdings kein Vorwurf, sondern das aggressive und eskalierende Verhalten der Beamten.
  3. Banner wurden aufgrund ihres Inhalts verboten. Diese durften nicht einmal mit ins Stadion genommen, geschweige denn an geeigneten Stellen aufgehangen werden. Diese Aussage zeugt von fehlender Kenntnis des Einsatzes.

Türkisches Original: Müsabaka bitimi misafir seyirciler Sultanahmet Meydanına güvenli bir şekilde intikal ettirilmişlerdir. Misafir seyircinin çıkışı sırasında yaklaşık 30 kadar misafir seyirci otellerinin stadyuma yakın noktalarda olduğunu beyan etmiş, bunun üzerine ev sahibi seyircilerin dağılımı bittikten sonra bahse konu 30 misafir seyircinin stadyumdan bireysel olarak ayrılmaları sağlanmıştır.

Deutsche Übersetzung: Nach Beendigung der Partie wurden die Gästefans sicher zum Sultanahmet Platz gebracht. 30 Zuschauer, die ihr Hotel in der Nähe des Stadions hatten, wurde es nach Abreise des Heimpublikums gestattet, das Stadion individuell zu verlassen.

Kommentar der Fanhilfe: Auch diese Aussage geht an den erhobenen Vorwürfen vorbei. Die Fanhilfe sowie sämtliche Fans behauptete zu keinem Zeitpunkt, dass die Abreise irgendwelche Probleme aufgeworfen habe.

Türkisches Original: İzin verilen pankartlar dışında seyirciler tarafından „ULTRAS“ ibareli bir pankart getirilmiş, ULTRAS ibaresi sporda şiddet ve holiganizmi çağrıştırdığından yukardaki hükümler gereği yalnızca bu pankartın girişine izin verilemeyeceği söylenmiş ve bahse konu pankartları getiren (10) şahıs pankartlarına izin verilmemesi durumunda stadyuma girmek istemediklerini belirterek turnikelerin dış kısmında bulunan merdivenlerde oturarak müsabaka bitimine kadar beklemişlerdir.

Deutsche Übersetzung: Neben den Bannern, deren Mitnahme ins Stadion gestattet wurde, wurde der Versuch unternommen ein Banner mit der Aufschrift „ULTRAS“ mit ins Stadion zu führen. Da diese Aufschrift in Bezug auf das genannte Gesetz 6222 ABS. 7&8 mit Gewalt und Hooliganismus assoziiert wird, wurde den Anwesenden Zuschauern mitgeteilt, dass das Banner nicht mit ins Stadion geführt werden darf. 10 Personen, die besagtes Banner mit sich führten, verbrachten die Partie daraufhin vor den Stadiontoren auf einer Treppe.

Kommentar der Fanhilfe: Es stimmt, dass ein Banner mit der Aufschrift ,,Ultras‘‘ verboten worden ist. Dieses Verbot sowie der Verweis auf das Gesetz 6222 ist dem Verein sowie den Fans vorher nicht mitgeteilt worden, sondern wurde erst während der Kontrolle bekannt. Dass es keine vorherige Mitteilung über das Verbot gab, haben wir uns erst heute vom Verein bestätigen lassen.

Die Fanhilfe hält dazu weiter fest, dass der Ultras-Schriftzug nicht gleichzusetzen ist mit Gewalt und Hooliganismus, sondern in der deutschen Fankultur fest verankert und in jedem Stadion zu sehen. Im Stadion von Galatasaray hängen darüber hinaus diverse Fahnen mit dem ,,Ultraslan‘‘-Schriftzug einer bekannten türkischen Fangruppierung, an denen die Behörden ebenfalls keinen Anstoß nehmen.

Im Gegensatz dazu nahm man an dem Mönchengladbacher und ebenfalls an einem Pariser Ultras-Schriftzug zwei Tage zuvor erheblichen Anstoß. Beim Gastspiel von PSG musste das Banner während des Spiels durch polizeilichen Zwang abgehangen werden, auch dort kam es zu Gewalt gegen Gästefans. Wir halten dies für eine reine Schikane, nicht für eine ernstzunehmende Maßnahme gegen Fangewalt – insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der Schriftzug mal erlaubt und mal verboten ist. Das Gesetz 6222, auf das sich die Polizei bezieht, ist eine Gängelung von Fans und verschärft allerlei alltägliche Fanaktionen oder kriminalisiert sie gar.

Die besagten zehn Personen sind nicht nur wegen der Ultras-Fahne, sondern auch wegen anderer verbotener Fahnen draußen geblieben, u.a. der St. Vitus-Fahne. Sie taten dies nicht freiwillig, sondern mussten dies tun, der Einlass zum Stadion war ihnen verwehrt.

Türkisches Original: Müsabakada misafir seyirciden kimseye herhangi bir işlem yapılmamış, stadyum misafir seyirci kontrol noktasına yukarda belirtilenler dışında dini sembol içeren herhangi bir pankart getirilmemiştir.

Deutsche Übersetzung: Bei dieser Partie wurden keine rechtlichen Schritte gegen Gästefans vorgenommen. Ausserdem wurde kein Banner, außer besagtes „ULTRAS“ Banner, mit christlicher Symbolik vom Kontrollpunkt für Gästezuschauer aus mit ins Stadion geführt.

Kommentar der Fanhilfe: Korrekt ist, dass keine nachträglichen rechtliche Schritte unternommen worden sind. Dauerhafte Festnahmen sowie Ermittlungsverfahren sind uns jedenfalls (noch) nicht bekannt.
Dass lediglich das Ultras-Banner verboten worden ist und es kein Verbot einer Fahne aufgrund ihrer christlichen Symbolik gegeben hat, ist eine glatte Lüge. Wie in unserer Stellungnahme vom vergangenen Freitag nachzulesen ist, war sogar insbesondere der abgebildete St. Vitus Stein des Anstoßes für die Verbote sowie Auslöser der aggressiven und auch körperlichen Attacken gegen deutsche Fans. Über diese Attacken verliert die Polizei in ihrer Stellungnahme kein Wort, sondern kehrt sie offensichtlich unter den Tisch.

Wir sind erschüttert darüber, dass eine staatliche Behörde die Geschehnisse dermaßen in ihr Gegenteil verkehrt und zweifelsfrei Falschmeldungen lanciert. Die türkische Polizei verbreitet hier schlicht Fake News. Die anwesenden Szenekundigen Beamten der deutschen Polizei, anwesende Funktionäre und Ordner von Borussia Mönchengladbach sowie zahlreiche Fans bestätigten dies.

Wir sehen uns durch die blanke Klarheit der Falschmeldungen in unseren Forderungen bestätigt, dass an einer fairen Behandlung von Gästefans in der Türkei kein Interesse besteht. Die Lügen der türkischen Polizei sind ein weiterer Beleg dafür, dass dort kein geeignetes Sicherheitskonzept vorhanden ist, um ein für alle Fans tragbares und würdiges Fußballspiel zu gewährleisten. Wir wiederholen uns, dass in Anbetracht dieser Tatsachen die Austragung des Champions League-Finals 2020 in letzter Konsequenz hinterfragt werden muss. Wer Fans erst schikaniert, ihnen christliche Symbole verbietet und sie auch noch angreift, dann im Nachhinein darüber lügt und sich ausschweigt, kann kein angemessener Gastgeber sein.

Fanhilfe Mönchengladbach

(Danke für die Übersetzung an Sinan!)

Stellungnahme zu den Vorfällen in Istanbul

Am gestrigen Abend (03.10.2019) fand das zweite Gruppenspiel der UEFA Europa League in dieser Saison statt. Borussia Mönchengladbach bestritt ihr erstes Auswärtsspiel beim türkischen Istanbul Basaksehir FK. Es kam zu einer massiv verspäteten Ankunft des polizeilich angeordneten Buskonvois sowie einer anschließenden massiven Schikane Gladbacher Fans durch die türkische Polizei. Im Folgenden möchten wir als Fanhilfe, die die Ereignisse während des Spiels publik gemacht hat, das Geschehene verständlich zusammenfassen:

Die Anfahrt

Die Polizei ordnete einige Wochen vor dem Spiel eine Pflicht zur Busanreise vom Stadtzentrum zum Stadion an. Sämtliche deutsche Fans mussten diese Anreisevariante wählen, andernfalls würde ihnen der Zutritt zum Stadion verwehrt werden. Bereits diese Maßnahme sehen wir als unbegründet an: Beim letzten Gladbacher Gastspiel in Istanbul (vor sieben Jahren, gegen Fenerbahçe) konnten die Fans sich frei bewegen, sind mit eigens organisierten Schiffen und anschließend per Fanmarsch zum Stadion gelangt. Und das, obwohl damals 1) deutlich mehr Borussen vor Ort waren und 2) Fener ein deutlich größeres Fanpotenzial aufweist, als der gestrige Gegner Basaksehir.

Die Abfahrt der Busse war für 17 Uhr angesetzt. Zu diesem Zeitpunkt und damit überpünktlich waren alle der mehr als tausend Borussen bereits an dem besagten Treffpunkt. Die knapp 30 Reisebusse kamen allerdings erst nach und nach an, mussten dann darüber hinaus noch kompliziert rückwärts in eine Seitenstraße einparken. Zu allem Überfluss errichtete die türkische Polizei eine Kontrolle, die die Fans passieren mussten – obwohl sie dies am Stadion ohnehin tun müssen. Das schlecht organisierte und sinnlose Prozedere führte zu einer verspäteten Abfahrt von 45 min.

Der berühmt berüchtigte Istanbuler Stadtverkehr zu dieser Zeit tat sein Übriges dazu. Der riesige Konvoi steckte mehrmals in stockendem Verkehr und Stau, fuhr zur Umgehung einen respektablen Umweg (von ca. 25 km direktem Weg auf 40 km tatsächlicher Strecke) und erreichte das Stadion entsprechend knapp: Die ersten Fans konnten gerade einmal zehn Minuten vor Anpfiff aus dem Bus steigen, die meisten Fans hatten zu diesem Zeitpunkt bereits keine Hoffnung mehr den Anstoß zu erleben.

Der Einlass

Die Situation am Einlass ist bei einer 1) vierstelligen Anzahl ankommender Fans, 2) lediglich wenigen Minuten bis Spielbeginn (und mit der Zeit einigen Minuten nach selbigem) sowie 3) lediglich vier Drehkreuzen unschwer auszumalen. Es kam zu langen Schlangen, kleinerem Gedrängel und Unmutsbekundungen der anwesenden Gladbacher. Trotz des Unmuts behielten diese jedoch jederzeit die Nerven, wurden nicht handgreiflich und verhielten sich weitgehend ruhig sowie kooperativ.

Die vor Ort befindlichen Polizisten reagierten genau umgekehrt und fingen beim kleinsten Anzeichen von Gedrängel an, körperlich zu werden. Fans wurden geschubst und bedroht. Dass die Situation, trotz Enge und aggressivem Auftreten der Polizei, nicht eskaliert ist, ist dem besonnenen Verhalten der Fans zu verdanken.

Die Fahnen

Parallel zur angespannten Situation vor den Drehkreuzen, fand unmittelbar hinter diesen die Kontrolle der von den Fans mitgebrachten Fahnen statt. Diese war angekündigt: Fans müssen die Fahnen zeigen, sie übersetzen lassen und dürfen sie anschließend mit in den Block nehmen.

Die Kontrolle gestaltete sich jedoch komplizierter und eskalierte. Mehrere Fahnen stießen den türkischen Polizisten und Ordnern auf und sollten verboten werden. Insbesondere erregte eine Fahne mit dem alten sowie dem aktuellen Stadtwappen Mönchengladbachs die Gemüter der Ordnungskräfte. Der auf dem alten Wappen abgebildete St. Vitus, Patron der Stadt, führte zu lautem Geschrei. Auf gebrochenem Englisch wurde mehrfach geschrien: „What is this? What is this?“, „Christian! This is christian!“. Die Fans probierten auf Englisch zu erklären, dass das Wappen das Symbol der Stadt Mönchengladbach sei. Ein türkischsprachiger Ordner Borussias sowie die anwesenden Szenekundigen Beamten (SKB) aus Mönchengladbach probierten mit Verweis auf die Google-Bildersuche und auf türkisch ebenfalls zu vermitteln – ohne Erfolg. Seitens der türkischen Polizisten und Ordner bestand zu diesem Zeitpunkt kein Interesse mehr an einer vernünftigen Kommunikation.

Die Fans wurden nicht nur angeschrien, sondern auch körperlich drangsaliert. Es wurde probiert nach den Fahnen zu greifen, was die Fans mit dem defensiven Festhalten an Selbigen probierten zu verhindern. Fans mit Fahnen wurde gegen die Wand geschubst und dort gedrückt. Ein Fan an der Wand wurde kurzzeitig gewürgt. In dieser Situation sind nach übereinstimmenden Augenzeugenberichten und -aussagen auch Fanbeauftragte sowie ein Mönchengladbach SKB körperlich angegangen worden.

Die Ingewahrsamnahmen und Rauswürfe

In dieser Situation wurden mehrere Fans von der Polizei in Gewahrsam genommen und anschließend separiert. Ihnen wurde vorgeworfen, dass sie in der heiklen Situation rund um die Fahnenkontrolle Polizisten geschlagen haben sollen. Dieser Vorwurf war erfunden und entspricht nicht der Realität. Unserer Einschätzung nach diente er lediglich als Vorwand, um Fans einzuschüchtern und ihnen mit einer dauerhaften Festnahme sowie der Zuführung in ein Gefängnis zu drohen.

Währenddessen wurde den restlichen Fans in der Fahnenkontrolle mitgeteilt, dass die beanstandeten Fahnen keinen Einlass erhalten würden. Die Fans hätten mitsamt der Fahnen das Stadion zu verlassen. Voller Unverständnis, aber ruhig und deeskalierend, verließen die Fans das Stadion. In der Folge mussten sie die inzwischen restlichen 80 Spielminuten plus 30 Minuten Blocksperre auf den Stufen des Stadionvorplatzes verbringen, da sie ja verpflichtet waren, das Gebiet erneut mit dem gemeinsamen Buskonvoi zu verlassen.

Darüber hinaus sind nach unseren Informationen zwei weitere Fans aus dem Unterrang des Gästeblocks abgeführt worden, da diese nach dem 0:1 aus Gladbacher Sicht aus Frust gegen die Plexiglasscheibe geschlagen hatten.

Das Fazit

Alle Gladbacher konnten das Stadion (bzw. den Vorplatz) verlassen und die gemeinsame Abreise antreten. Von Ermittlungsverfahren ist uns aktuell nichts bekannt.

Eine schlimmere Eskalation ist einzig und allein dem besonnen Auftreten der Mönchengladbacher Fans zu verdanken. Diese blieben sowohl in Anbetracht der Tatsache, dass sie zum ersten Europapokalauswärtsspiel seit Jahren den Anpfiff verpassen würden, als auch angesichts des aggressiven Verhaltens der türkischen Polizei jederzeit ruhig und friedlich.

Die türkische Polizei sowie ebenfalls die Ordner des Heimvereins hatten zu keinem Zeitpunkt Interesse an einem kooperativen Verhalten oder an Kommunikation. Im Gegenteil wurde die, durch die von der Polizei selbstverschuldete späte Ankunft, hitzige Situation noch weiter verschärft. Provokationen, verbale und körperliche Gewalt sowie das Erfinden von Tatvorwürfen führten zu einer Eskalation der Lage.

Unsere Forderungen

Eine derart massive Schikane friedlicher Fans, die ihren Verein im Europapokal unterstützen wollten und dafür weder Kosten noch Mühen gescheut haben, darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Unseren Informationen nach sind bereits zwei Tage zuvor, als Paris Saint Germain bei Galatasaray Istanbul zu Gast war, ähnliche Ereignisse geschehen. Wir als Fanhilfe der betroffenen Gladbacher Fans fordern daher:

  • Die türkische Polizei sowie die Ordnungskräfte des Heimvereins Basaksehir fordern wir eindringlich auf, ihr gesamtes Sicherheitskonzept zu überdenken. Die Busanreise war nicht gerechtfertigt und führte nur zu Problemen. Die dadurch entstandene Situation am Einlass wurde nicht ent-, sondern verschärft. Sämtlichen Situationen wurde mit Aggressivität statt Kommunikation begegnet. Das Verbot von Fahnen ist nicht nachzuvollziehen. Hier ist insbesondere die Begründung in Bezug auf die Figur des St. Vitus zu hinterfragen. Dieser ist vollkommen offensichtlich als Bezug zur Stadt Mönchengladbach gemeint, nicht als explizit christliches Symbol – und selbst wenn dem so wäre, würde dies kein Verbot der Fahne rechtfertigen. Diese Praxis muss dringend geändert werden.
  • Borussia Mönchengladbach hat sich in Form von Stephan Schippers, Max Eberl sowie Torschütze Patrick Herrmann klar positioniert und hinter die eigenen Fans gestellt. Wir begrüßen dieses Zeichen der Solidarität ausdrücklich. Nichtsdestotrotz muss diesen Worten ein entschiedenes Auftreten gegenüber der UEFA erfolgen. Ein Abtun der Vorwürfe kann angesichts der glasklaren Sachlage sowie der skandalösen Schikane keine Option sein, mit der man sich abspeisen lassen sollte.
  • Die UEFA muss die Vorwürfe ernst nehmen und mit der gebotenen Konsequenz verfolgen. Bei einer entsprechenden Untersuchung der Ereignisse wird sich herausstellen, dass die erhobenen Vorwürfe ohne Ausnahme stimmen und hier Fans schikaniert worden sind sowie leichtfertig mit deren körperlichen Versehrtheit umgegangen worden ist. Sollte sich in Anbetracht des Vorfalls zwei Tage zuvor herausstellen, dass die türkische Polizei bewusst auf eine Eskalationsstrategie gegen ausländische Fans setzt, muss in letzter Konsequenz auch die Austragung des Champions League Finals 2020 in Istanbul überdacht werden, da das Wohl anreisender Fans so nicht gewährleistet ist.

Fanhilfe Mönchengladbach