Fan-Hilfe Mönchengladbach kritisiert Polizeieinsätze vor und nach dem Derby gegen Köln

Die bloße Resonanz auf unseren Aufruf am gestrigen Morgen, sich bitte mit Augenzeugenberichten, sowie Foto- und Videomaterial und gegebenenfalls ärztlichen Attesten an uns zu wenden, zeigt, dass hier zwei Polizeieinsätze stattgefunden haben, die eine Vielzahl von Borussiafans aus dem gesamten Spektrum der Fanszene negativ betroffen haben. In diesen und den Reaktionen auf einen ähnlich lautenden Aufruf des FPMG Supporter Club‘s sehen wir ein breites Unverständnis innerhalb der Gladbacher Fanlandschaft über nicht nachvollziehbares Verhalten der Polizei.

Wir wollen im Folgenden die Geschehnisse aus Sicht dutzender Augenzeugenberichte und eigenen Beobachtungen rekonstruieren und bewerten:

1. Geschehnisse am Mönchengladbacher Hauptbahnhof vor dem Spiel:

Ein Marsch von rund 500 Borussia-Fans erreichte gegen 11:15 Uhr den Mönchengladbacher Hauptbahnhof. Dort hatte die Bundespolizei den Haupteingang durch mehrere Einsatzfahrzeuge und viele Beamte künstlich verengt, um immer nur einige wenige Fans zeitgleich in den Bahnhof zu lassen und so Kontrollen durchzuführen. Diese Kontrollen fanden dann jedoch erst am Aufgang zum Bahnsteig statt, bei dem die Fans erneut nur einzeln durchgelassen, abgetastet und gegebenenfalls ihre Taschen durchsucht worden sind.

Eine volle Stunde vor der geplanten Abfahrt des Entlasters um 12:15 begaben sich die Borussia-Fans also in die besagte Prozedur. Weitere Fans, die nicht an dem Marsch teilgenommen hatten, folgten in der Zwischenzeit. Man sollte meinen, dass dies mehr als genug Zeit sein solle um die Fans ,,abzufertigen‘‘ und in den Zug zu bekommen. Eigentlich ist es nicht einmal selbstverständlich, dass die Fans überhaupt eine Stunde vor Abfahrt bereits da waren und man kann in dieser Tatsache durchaus ein Entgegenkommen der Fanszene gegenüber der Polizei sehen.

Nichtsdestotrotz ließ die Bundespolizei die Fans nur so langsam durch, dass sich die Abfahrt des Zuges auf 12:45 Uhr verschob und zu diesem Zeitpunkt noch circa 150 Fans vor dem Hauptbahnhof festgehalten wurden. War die Situation bis zu diesem Zeitpunkt noch genervt, aber stillschweigend und ruhig von den Borussia-Fans akzeptiert worden, kippte die Stimmung nun. Nach geschlagenen 1 ½ Stunden, in denen die Beamten sämtlichen Fans immer wieder versicherten, dass jeder in den Entlaster einsteigen könne, fuhr der besagte Zug weg. Einen alternativen Regionalzug zu nehmen, wurde von den Beamten ebenfalls erst einmal verhindert und den Fans wurde weiterhin der Zugang zum Bahnhof verwehrt.

Aus dieser Situation heraus entwickelten sich nun erste Unruhen in Form von Drängelei und verbalen Unmutsbekundungen aus den Reihen der zurückgebliebenen Fans, welche jedoch ausdrücklich nicht körperlich wurden. Das Verständnis einiger Beamten, die die Schuld an der Warterei ihrem Einsatzleiter in die Schuhe schoben, schlug unvermittelt und ohne ersichtlichen Anlass in einen massiven Einsatz von Pfefferspray gegen die Fans um, als besagter Einsatzleiter der Bundespolizeidirektion St. Augustin den Befehl für diesen Einsatz erteilte. Die in der Folge verletzten Fans wurden von der Polizei stur weiter in der Menge und nicht durch die Absperrung durchgelassen. Eine Behandlung gereizter Augen der unschuldigen Fans mit Flüssigkeit und das Rufen von Rettungswagen wurden verweigert. Lediglich eine Frau, die aufgrund der Situation komplett zusammengebrochen ist, wurde von vier Beamten aus der Menge zu Sanitätern getragen.

Unabhängig voneinander berichteten uns viele Fans, dass bei den eingesetzten Beamten zum Teil Unmut und rege Diskussionen über den Einsatzbefehl des Einsatzleiters stattfanden. Dieser würde ,,seine bekannte Show abziehen‘‘ und kein Interesse an einer Deeskalation, geschweige denn einer Lösung im Sinne der zurückgebliebenen Fans haben.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach unterstreicht, nach der Auswertung von zahlreichen Augenzeugenberichten und Videomaterial, in aller Deutlichkeit, dass dieser Pfeffersprayeinsatz ohne einen zuvor geschehenen tätlichen Angriff stattgefunden hat. Bei den zurückgebliebenen Fans handelte es sich nicht um ,,gewaltbereite Fans‘‘, sondern um normale Borussen, u.a. auch Frauen und Kinder, die lediglich ihren Unmut über die nicht nachvollziehbare Prozedur kund getan haben. Drängeleien sind darüber hinaus nur dadurch entstanden, dass die Einsatzfahrzeuge der Polizei den Zugang, wie bereits erwähnt, künstlich verengt haben. Der Pfefferspray-Einsatz war daher in unseren Augen nicht gerechtfertigt.

Schikanen auf dem Bahnsteig runden das Bild der Bundespolizei in Mönchengladbach an diesem Tag ab. Ein besonders vielsagender Vorfall stellen die Personalienkontrolle von und die mündliche Verwarnung an einige Fans dar, welche sich an einem Gebüsch am Rand des Bahnsteigs erleichterten. Abgesehen davon, dass dies nach über einer Stunde in der Kontrolle ohne die Möglichkeit eines Toilettengangs und bei fehlenden Toiletten im noch stehenden Zug ein Nachkommen menschlicher Bedürfnisse darstellt, urinierten einige Polizisten zum gleichen Zeitpunkt einige Meter weiter in das gleiche Gebüsch. Auf den Hinweis darauf, reagierten die Beamten lediglich mit dem Hinweis, dass die Situationen nicht zu vergleichen seien.

2. Geschehnisse vor und im Ehrenfelder Bahnhof nach dem Spiel:

Wie üblich fuhren die Fans vom Stadion in Müngersdorf mit der S-Bahn zum Kölner Bahnhof Ehrenfeld um von dort die Rückreise nach Mönchengladbach anzutreten. Die letzten Fans erreichten um 18:15 Uhr, also eine knappe Stunde nach Abpfiff, Ehrenfeld. Die Polizei versperrte den Zugang zum Bahnsteig bis der Entlaster um circa 18:40 einrollte.

Was folgte, kann man mit nur mit einigem Zynismus als Versuch der Bundespolizei werten, die Quetschszenen von vor dem Spiel zu übertreffen. Der eine Zugang zum Bahnsteig wurde von jeweils mehreren Beamten auf jeder Seite der Treppe so sehr verengt, dass lediglich zwei Menschen nebeneinander die Treppe begehen konnten. Da keine Kontrolle stattgefunden hat, erschließt sich der Sinn dieser Positionierung nicht. Darüber hinaus wurde nach einigen dutzend Fans jedes Mal aufs Neue der Zugang für einige Minuten versperrt. Auch dieses Vorgehen kann schlicht und ergreifend nur als sinnlos bezeichnet werden, da der Entlaster doch bereits am Gleis stand und sämtliche Fans ohne Probleme den Zug hätten besteigen können. Man kann die Maßnahme nicht anders als als Schikane verstehen.

Das dadurch entstehende Gedränge führte in der Unteführung des Bahnhofs erneut – man kann es leider nicht anders formulieren – zu Szenen, die stark an das Unglück der Duisburger Loveparade erinnern. Kreislaufprobleme bis hin zu Ohnmachtsanfällen bei Fans waren die Folge.

Die darauf hingewiesenen Beamten reagieren entweder gar nicht, mit einem Schulterzucken oder gar amüsiert. Man müsse sich ja nicht in solche Situationen begeben. Dass man selbst der Grund für diese schlimme Situation war, wollte man nicht einsehen. Ein Beamter teilte der eingequetschten Masse lediglich mit, man sollte doch bitte „einen Meter Abstand“ zum jeweiligen Nebenmann halten. Inwiefern das zu einem Zeitpunkt möglich hätte sein sollen, der der die Fans aufgrund der Enge bereits komplett bewegungsunfähig waren, bleibt mindestens fraglich.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach stellt sich folgende Fragen:

– Wie kann es sein, dass die Bundespolizei sowohl in Ehrenfeld, als auch in Mönchengladbach die Zugänge so sehr künstlich verengt, dass Quetschszenen bei lang anhaltenden Absperrungen praktisch vorprogrammiert sind?
– Wie viel Zeit plant die Bundespolizei für die Kontrolle von Fußballfans ein? Plant sie ihren Einsatz so, dass Fans viele Stunden vor einer Abfahrt am Bahnhof sein müssten, um einen Zug nehmen zu können?
– Warum reagiert die Bundespolizei nicht ansatzweise auf die Anregungen der eingesetzten Mitarbeiter des sozialpädagogischen Fanprojekts und verweigert sogar eine Zusammenarbeit mit diesen?
– Warum ignoriert die Bundespolizei seit Jahren den Vorschlag der besagten Fanprojektler, Sonderzüge nicht mehr auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs abfahren zu lassen, sondern aus Gleis 2 oder sonstwo? An allen Gleisen im Hauptbahnhof gibt es zwei Aufgänge und Kontrollen könnten doppelt so schnell durchgeführt werden – man beharrt aber krampfhaft auf Gleis 1, wo dies nicht möglich ist.
– Warum befiehlt der Einsatzleiter der Bundespolizeidirektion St. Augustin ohne Grund einen massiven Einsatz von Pfefferspray gegen ungeduldig, aber friedlich wartende Fans, die zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Beamten darstellten?

In den Tagen vor dem Derby gab es von Vereins- und Supporters Club-Vertretern beider Vereine eindringliche Aufrufe an die Fanszenen. Der Tenor war, dass man sich nicht selbst den Ast absägen dürfe, auf dem man sitzt. Politik, Polizei und Co. würden nur auf das Fehlverhalten von Fans warten um die Repressionsschraube weiter anzuziehen und Derbys in Zukunft beispelsweise ohne Gästefans stattfinden zu lassen.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach beobachtet mit Sorge, dass es anscheinend überhaupt nicht nötig ist, dass Fans diesen sprichwörtlichen Ast absägen müssen. Viel mehr setzt die Polizei die Axt selbst auch dann an, wenn überhaupt gar kein Fehlverhalten der Fanseite vorliegt. In aller Klarheit wollen wir sagen: Dass bei beiden Geschehnissen nicht viel Schlimmeres passiert ist, ist nicht selbstverständlich und liegt einzig und allein an der Besonnenheit der Fans.

Wir hoffen, dass die verantwortlichen Stellen diesen missglückten Einsatz analysieren, Konsequenzen für die leitenden Personen gezogen werden und vergleichbare Einsätze in Zukunft nicht mehr so organisiert werden, dass unschuldige Fans grundlos zu Schaden kommen. Wir befürchten allerdings, dass unsere Fragen wie so oft unbeantwortet werden bleiben und eine Reflektion der Geschehnisse nicht stattfindet und ein ,,Weiter so‘‘ die Parole der Polizei darstellt.

Darüber hinaus bedauern wir, dass unser Verein Borussia Mönchengladbach sich bislang nicht zu den Ereignissen rund um die massiven Behinderungen bis hin zu Angriffen auf seine Fans geäußert hat. Bei dermaßen unverhältnismäßigen Maßnahmen, die Leib und Leben von Borussiafans gefährdet haben, sollte auch der Verein Stellung beziehen. Wir hoffen, dass Borussia Mönchengladbach sich in dieser Angelegenheit nicht versteckt.

Betroffene Fans bitten weiterhin, sich bei uns zu melden.

Fan-Hilfe Mönchengladbach

Fan-Hilfe Mönchengladbach kritisiert Betretungsverbote in Köln

Mehrere dutzend Fans von Borussia Mönchengladbach sind beim morgigen Derby von sogenannten Betretungs- und Aufenthaltsverboten (gemäß § 34 (2) PolG NRW) betroffen. Eine solche Maßnahme stellt einen schweren Eingriff in die Reisefreiheit der Betroffenen dar.

Wir hatten uns bereits Ende vergangenen Jahres zu Betretungsverboten in Köln geäußert, nachdem ein Mitglied der Fan-Hilfe erfolgreich gegen sein Betretungsverbot geklagt und das Verwaltungsgericht Köln die Rechtswidrigkeit der Maßnahme bestätigt hatte:
http://fanhilfe-moenchengladbach.de/betretungsverbot-wegen-einseitiger-ermittlungen-gekippt/

Darüber hinaus haben wir auch in anderen Zusammenhängen die Aussprache solcher Verbote nach dem „Gießkannenprinzip“ kritisiert, da die Begründungen oftmals nicht den Eindruck erwecken, dass hier eine genaue Anschauung der Person vorgelegen und man nach rechtsstaatlichen Kriterien abgewogen hat.

Bei den besagten Verboten für das anstehende Derby ist uns in diesem Zusammenhang besonders das Schreiben gegen den Borussia-Fan Kalle (*Name geändert) ins Auge gefallen. Es bestätigt unsere Sicht, dass die Verbote mindestens zum Teil aufgrund von fragwürdigen Begründungen ausgesprochen werden. Außerdem finden sich in dem Schreiben mehrere Stellen, die wenigstens auf ein unsauberes Arbeiten des Polizeipräsidiums Köln schließen lassen.

Die Begründung beginnt mit folgendem Wortlaut:

Dazu muss gesagt werden, dass Kalle nur insofern ,,strafrechtlich in Erscheinung getreten‘‘ ist, als dass derzeit Ermittlungsverfahren gegen ihn laufen. Eine rechtskräftige Verurteilung hat es gegen ihn generell noch nie gegeben, geschweige denn im Zusammenhang mit Fußballspielen.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach kritisierte bereits in der Vergangenheit, dass massive Einschnitte in die Rechte von Fußballfans ohne eine Verurteilung stattgefunden haben. Kurios wird der vorliegende Fall aber insbesondere, wenn man sich die in der Folge genannten, einzelnen Vorfälle und polizeilichen Einschätzungen von Kalle ansieht.

Schauen wir uns im Folgenden einige der einzelnen Begründungen, die die Polizei aufführt, an:

Kalle ist also nach Bern gereist, viel mehr geht aus diesem Punkt nicht hervor. Es wurden bei der Kontrolle keine strafrechtlich relevanten Gegenstände gefunden, Kalle wurde keiner Straftat beschuldigt, generell ist es bei der besagten Kontrolle zu keinem einzigen strafrechtlich relevanten Vorfall gekommen.

Inwiefern die bloße Ausreise zum Spiel des Lieblingsvereins einen Teil der Begründung für einen massiven Eingriff in die Reisefreiheit eines Menschen darstellt, erschließt sich der Fan-Hilfe Mönchengladbach nicht.



Wurde hier vom Polizeipräsidium Köln ein Kölner Spitzel in der Mönchengladbacher Szene enttarnt? Wohl kaum: Kalle ist nicht nur durch und durch Borusse, sondern war auch nicht bei besagtem Vorfall auf der Jahnwiese dabei.

Viel mehr handelt es sich wohl um mehrere grobe Schnitzer, die zumindest die Frage aufwerfen, wie sorgsam man die Begründung der Betretungsverbote im Kölner Polizeipräsidium nimmt.

Kalle sei also seit 2007 in der Szene aktiv und war immer wieder Ziel polizeilicher Maßnahmen. Das ist insofern interessant, als dass er Jahrgang 1997 ist. Er wäre dann also seit seinem zehnten Lebensjahr ,,Problemfan‘‘. Wie man sich denken kann, handelt es sich hier allerdings um keinen Fall von ,,Früh übt sich‘‘, sondern um eine weitere schlicht und ergreifend falsch verwendete Begründung. Diese wirft daher die gleiche Frage auf wie im vorherigen Abschnitt.

Neben den letztgenannten Abschnitten, die die Frage nach der Sorgsamkeit der Begründung aufwerfen und dem Schreiben einen regelrecht absurden Charakter verleihen, stehen insbesondere die ersten Punkte sinnbildlich für unsere Kritik an der Vergabe der Verbote. Eine Kontrolle, bei der rein gar nichts passiert ist und die Tatsache, dass noch kein rechtskräftiges Urteil gegen Kalle vorliegt, bestätigen uns in unserer Auffassung, dass die Maßnahmen oft überzogen und vorschnell ausgesprochen werden.

Wie in der Vergangenheit rufen wir daher die zuständigen Polizeipräsidien dazu auf, ihre Praxis zu überdenken und mehr Sorgsamkeit bei der Vergabe walten zu lassen.

Alle Fans, die in Zukunft von Betretungsverboten betroffen sind, rufen wir dazu auf sich bei uns zu melden – wir helfen Euch!

Allen Borussen, denen es morgen erlaubt ist nach Köln zu fahren, wünschen wir einen stressfreien Spieltag. Sollte es doch zu Problemen kommen, erreicht ihr die Fan-Hilfe wie gewohnt unter unserer Notfallnummer: 0157/36759964

Fan-Hilfe Mönchengladbach