Max G. (*Name geändert) fährt zur Europameisterschaft in Frankreich und hält plötzlich in der BILD und anderen Medien als Symbolbild für die Ausschreitungen rechter Fans her, obwohl er lediglich Bier-trinkend vor eine Kneipe in Lille stand. Daniel Tobias Czeckay, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskanzlei CSP Rechtsanwälte aus Düsseldorf, vertrat den Fan vor Gericht und schilderte der Fanhilfe den Ablauf des Prozesses und stand uns auch zu weiteren Fragen rund um Fußballfans und Presserecht zur Verfügung.
Herr Czeckay, Sie haben als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht das Verfahren eines Gladbacher Fans gegen die BILD und andere Medien geführt. Was war der Ausgangspunkt des Falls?
Im Jahr 2016 fuhr der betroffene Borussia-Fan als Zuschauer zu einem Europameisterschaftsspiel in Frankreich, Deutschland gegen die Ukraine in Lille. Im Rahmen dieses Spiels kam es zu Ausschreitungen in der Stadt, über die in den deutschen Medien breit berichtet worden ist. Als Symbolbild für diese Berichterstattung wurde von mehreren Medien und unter anderem eben auch der BILD ein Foto aus der Innenstadt Lilles genutzt, auf dem mein Mandant Max G. zu sehen ist. Allein: Max war gar nicht an den Auseinandersetzungen beteiligt – er war nicht einmal in der Nähe der besagten Auseinandersetzungen, geschweige denn wurde er von den Ermittlungsbehörden in der Hinsicht beschuldigt.
Vielmehr kam er am Bahnhof an, lief an einer nahegelegenen Kneipe vorbei und genoss ein kühles Bier. Im Umfeld der Kneipe standen weitere Personengruppen deutscher Fans, mit denen der Mandant jedoch nichts zu tun hatte und von denen eine Gruppe eine Reichskriegsfahne in die Luft hielt. Diese Situation wurde von einem Pressefotografen im Bild festgehalten.
Das entstandene Foto wurde im Nachgang des Spiels dann in verschiedenen Medien als Symbolbild für die Ausschreitungen rund um das Spiel verwendet. Es sollte damit wohl exemplarisch dargestellt werden, dass deutsche rechtsradikale Fans für die Ausschreitungen verantwortlich gewesen seien und diese dabei auch rechtsradikale Zeichen und Symbole gezeigt hätten.
Der Zusammenhang, der hierbei hergestellt worden ist, war in mehrfacher Hinsicht irreführend und falsch: Erstens fanden die Ausschreitungen zu einem ganz anderen Zeitpunkt an einem ganz anderen Ort statt und zweitens sieht man auf dem Bild zwar die besagte Reichskriegsflagge, jedoch haben mehrere abgebildete Fans und insbesondere mein Mandant nichts mit dieser zu tun, sondern sind nur zufällig im Bild zu sehen.
Die beiden Zusammenhänge, in die der Fan durch die Berichterstattung gebracht worden ist, entsprachen also in keinster Weise der Wahrheit.
Das sah der Fan dann offensichtlich auch so und entschloss sich gegen die Berichterstattung vorzugehen. Wie ging es also weiter?
Genau, Max G. entschloss sich in einem ersten Schritt gegen die Berichterstattung der BILD vorzugehen – später folgten weitere Verfahren gegen andere Medien, von deren Berichterstattung der Fan zu dem Zeitpunkt noch gar nichts wusste.
Im Wesentlichen ging es im Verfahren gegen BILD um zwei Ansprüche des Mandanten: Durch einen Unterlassungsanspruch sollte die weitere Verbreitung des Bildes im besagten Kontext verhindert werden, was insbesondere in Bezug auf Online-Berichterstattung relevant war. Darüber hinaus haben wir für unseren Mandanten eine Geldentschädigung gefordert , um die ihm durch die Veröffentlichung widerfahrene Rufschädigung auszugleichen.
Wie lief der folgende Prozess dann ab?
Bereits in der ersten Instanz bestätigte das Landgericht Köln den Unterlassungsanspruch und lieferte damit den ersten Teilerfolg. Das Oberlandesgericht Köln bekräftigte dieses Urteil zweitinstanzlich und entschied erfreulicherweise auch hinsichtlich der Geldentschädigung im Sinne meines Mandanten. Er bekam in diesem Verfahren insgesamt 10.000 Euro zugesprochen. In Anbetracht der Tatsache, dass Geldentschädigungsansprüche im deutschen Presserecht leider nicht ganz einfach durchzusetzen sind, ist das doch ein deutliches Signal, dass hier ein eklatantes Fehlverhalten vorgelegen hat. Und im Übrigen bin ich auch der Meinung, dass nur die Anerkennung einer Geldentschädigung dazu geeignet ist, erlittene Persönlichkeitsverletzungen zu kompensieren und Pressevertreter für die Rechte Betroffener ernsthaft zu sensibilisieren.
Weil die Geldentschädigung den Medien dann auch, im Vergleich zur „bloßen“ Unterlassung, konkret im Portemonnaie weh tut?
Nein, das würde ich so nicht formulieren. Ich will der Presse in diesem Sinne ja nicht weh tun oder denen schaden. Ich sehe das eher von der anderen Seite, nämlich insofern, als dass nunmal dem Betroffenen weh getan wurde. Ihm wurde geschadet, solche Berichterstattungen können regelmäßig schwere und nachhaltige Folgen für das private und berufliche Leben nach sich ziehen.
So hatten wir es auch in dem vorliegenden Fall, da der Mandant durch diese Wortberichterstattung durch gewalttätige und rechtsradikale Fans und das dazu gewählte Bild in eben jenen Kontext gestellt worden ist – auf den er dann natürlich in verschiedenen Bereichen seines Lebens angesprochen worden ist. Man muss sich vor Augen führen, dass es hier ja auch nicht um eine geringe Reichweite oder irgendeine Randnotiz ging, sondern um die nach wie vor auflagen- und reichweitenstarke BILD-Zeitung. Menschen, die Opfer solcher Berichterstattungen werden, müssen mit massiven Ressentiments in verschiedenen Bereichen ihres Lebens rechnen – oft unberechtigter Weise, wie dies auch hier der Fall war.
Sah Axel Springer, bzw. die BILD, das vor Gericht auch so oder welcher Standpunkt wurde von der Presse vertreten? Wir gehen davon aus, dass ein Fehlverhalten nicht direkt und ohne Widerrede eingeräumt wurde?
Um ehrlich zu sein wurde ein Fehlverhalten bis zuletzt nicht wirklich eingeräumt. Die BILD-Zeitung hat sich vehement verteidigt und ganz offensichtilch auch nach dem zweitinstanzlichen Urteil Probleme gehabt das Urteil zu akzeptieren. Als der Senat des Oberlandesgerichts in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gab, dass dem Fan auch eine Geldentschädigung zustünde, kündigten die Juristen der BILD einen Gang zum Bundesgerichtshof bis hin zum Bundesverfassungsgericht an. Im Nachgang hat man dann wohl doch erkannt, dass dieser Gang hier wenig aussichtsreich gewesen wäre..
Verteidigt wurde sich konkret mit verschiedenen Argumenten. Insbesondere sei der Fan gar nicht in den vorgeworfenen Kontext gestellt worden, da der Leser schon erkennen würde, dass das Symbolbild nicht dem eigentlichen Inhalt des Artikels entspräche und der Mandant auch gar nicht zur Gruppe mit der Reichkriegsfahne gehören würde. Eine in meinen Augen absolut fernliegende Argumentation, da die Wort-/Bild-Kombination ausdrücklich auf diese Verbindung abzielte – was das Gericht glücklicherweise ganz genauso sah.
Kommen wir vom Einzelfall auf das generelle Spannungsfeld von Fußballfans in der Berichterstattung. Welche Probleme können sich für Fans hinsichtlich verletzender Berichterstattung ergeben?
Der Fußball steht hierzulande als Volkssport Nummer 1 natürlich unter besonderer Beobachtung. Im Stadion ist das Persönlichkeitsrecht durch den Ticketkauf nochmal anders geregelt als im normalen öffentlichen Raum, aber auch dort steht man im Fußballkontext natürlich im Fokus des öffentlichen Interesses. Durch das große mediale Interesse kann es leicht zu Situationen kommen, in denen falsche Eindrücke entstehen und Personen zu Unrecht in ein bestimmtes Licht gerückt werden.
So, wie es sich auch im vorliegenden Fall zugetragen hat, kann man leicht ungewollt in Ereignisse verwickelt werden, mit denen man eigentlich nichts zu tun hat. Wenn man nur in der Nähe einer Straftat steht, vielleicht sogar eher als Helfer in der Situation agiert hat oder sich gerade entfernen wollte, kann ein unglückliches Bild dafür sorgen, dass ich in der Presse für die eigentliche Straftat mit meinem Gesicht herhalten muss. Und wenn die Wortberichterstattung von großen Ausschreitungen, vielen Verletzten und einer neuen Dimension der Gewalt schreibt, dann bringt der Leser mich natürlich unweigerlich mit diesen Dingen in Verbindung. Das möchte niemand über sich in der BILD-Zeitung lesen.
Ein Problemfeld hinsichtlich der Medienarbeit sind für uns als Fanhilfe oftmals die Pressemitteilungen der Polizei, die von Journalisten bloß abgeschrieben und nicht kritisch hinterfragt werden. Haben Sie auch diesen Eindruck?
Das ist durchaus ein Spannungsfeld, klar. Die Ermittlungsbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft, sind dazu verpflichtet, dass sie der Presse in einem gewissen Rahmen Auskunft geben. Bei Ereignissen von öffentlichem Interesse, wie es beim Fußball oft der Fall ist, ist das nochmal häufiger der Fall und hat ja durchaus auch seine Berechtigung.
Natürlich müssen aber auch hier Grundsätze beachtet werden. Die Unschuldsvermutung, nicht vorverurteilend zu berichten, Informationen objektiv nach dem Ermittlungsstand herauszugeben – das alles ist leider nicht immer der Fall, da die Behörden sich durch den öffentlichen Druck teilweise treiben lassen.
Wehren kann man sich nur schwer gegen diese Presseberichterstattung, da die Medien hier den Vorteil haben, dass man die Behörden als privilegierte Quelle heranziehen kann. Das heißt, dass man die Angaben nicht recherchieren und vor der Veröffentlichung überprüfen muss. . Wehren muss man sich in diesem Fall gegen die eigentliche Meldung der Behörden, simultan zur Presseberichterstattung kann man auch hier Unterlassung und Amtshaftungsschadensersatz fordern.
Die letzte Frage soll denjenigen Lesern helfen, die irgendwann selbst einmal in die unangenehme Situation kommen ihr Gesicht oder ihren Namen ungerechtfertigterweise in den Medien sehen zu müssen. Was können Fans tun, wenn sie gegen eine Berichterstattung vorgehen wollen? Was ist wichtig, was muss man beachten?
Erstmal: Keine Angst vor großen Namen! Axel Springer, DuMont oder andere Medienhäuser sind natürlich große Unternehmen, aber die Rechte des einzelnen Betroffenen werden dadurch nicht kleiner. Wenn Persönlichkeits- und Bildrechte verletzt werden, wenn man geschmäht wird oder eine andere Verletzung entsteht, dann kann man seine Ansprüche geltend machen – ganz unabhängig davon, wer meine Rechte verletzt hat.
Ebenfalls keine Angst sollte man vor den finanziellen Aspekten haben, die der Gang zum Anwalt und letztendlich vor Gericht mit sich bringt. Oftmals sind die Erstberatung und eine vorläufige Einschätzung des Falls nicht gleich mit Kosten verbunden. Das heißt, dass es in jedem Fall Sinn macht, sich sofort juristischen Rat einzuholen um dann abzuschätzen, ob sich weitere Schritte – und der damit verbundene finanzielle Aufwand – lohnen. Konkret bezogen auf die Fußballthematik kann es hier natürlich auch nicht schaden die Fanhilfe direkt anzusprechen.
Und zuletzt: Schnell, schnell, schnell! Sich zeitnah und schnell gegen eine Berichterstattung zur Wehr zu setzen ist ein weiterer, wenn nicht der wichtigste Aspekt . Dem Betroffenen geht es ja gerade darum, möglichst Folgeberichterstattungen und Übernahmen durch Dritte zu verhindern. Zudem ist die Durchsetzung von Geldentschädigungen dann besser zu realisieren, da die Gerichte bei einer zu großen Verzögerung leider manchmal davon ausgehen, dass die Persönlichkeitsrechte dann schon nicht allzu sehr verletzt gewesen sein können. Ich halte diesen Ansatz persönlich zwar für falsch, aber um das zu klären haben wir jetzt keine Zeit mehr, denn im Presserecht muss es ja immer schnell gehen!