Überarbeitung des UEFA-Sicherheitsreglements: Datensammelwut im Europapokal

Still und heimlich hat der europäische Fußballverband UEFA zur aktuell startenden Saison 2019/2020 sein Sicherheitsreglement geändert. Dass weder die UEFA selbst, noch die am Europapokal teilnehmenden Vereine die Änderung groß publik gemacht haben, verwundert nicht, da einige böse Überraschungen auf die Fans warten. Wer in der kommenden Saison Spiele seines Vereins in der Champions League oder Europa League im Stadion verfolgen möchte, muss mit der Erhebung seiner Personalien sowie deren Weitergabe an autoritäre Staaten und deren Behörden rechnen.

Im zweiten Kapitel des UEFA-Reglements regelt Artikel 16 die „Angaben über den Karteninhaber“. In der alten Version, gültig seit 2016, war den am europäischen Wettbewerb teilnehmenden Vereinen eine detaillierte Datenerhebung freigestellt. „Soweit es die Umstände erfordern“, also nach Einschätzung des jeweiligen Vereins, konnte eine Datenerhebung über Namen und Adressen stattfinden, verpflichtend war diese jedoch nicht. Darüber hinaus wurden keine Verpflichtungen angeführt, die Daten an Dritte, etwa Verbände oder Behörden, weiterzugeben.

Die Überarbeitung des Reglements beinhaltet ab der neuen Saison nun diverse Verschärfungen, die in Hinblick auf den Datenschutz der Fußballfans fragwürdig sind und rechtsstaatliche Aspekte komplett außer Acht lassen:

  1. Die teilnehmenden Verbände und Vereine werden dazu verpflichtet, detaillierte Angaben über alle Stadionbesucher zu führen. Diese Datenerhebung muss mindestens Namen, Adressen und Geburtsdaten aller Fans umfassen. Eine Prüfung der Umstände und Einschätzung der Vereine zur Notwendigkeit, wie bislang, gibt es nicht mehr – die Pflicht gilt ohne Ausnahme und für alle Spiele.
  2. Alle Vereine werden dazu verpflichtet der UEFA, dem etwaigen Ausrichter sowie der lokalen und nationalen Polizei des Ausrichters die Daten zur Verfügung zu stellen.
  3. Alle Vereine werden dazu verpflichtet, Polizeibehörden von Ländern, durch die Fans zum Auswärtsspiel gereist sind, falls erforderlich zur Verfügung zu stellen.
  4. Im Falle einer Nicht-Einhaltung der neuen Regeln kann eine teilweise oder vollständige Reduzierung des Eintrittskartenkontingents für ein oder mehrere künftige Spiele als Disziplinarmaßnahme ausgesprochen werden.

Wir, als Fanhilfe Mönchengladbach, deren Verein und Fanszene in der kommenden Saison international vertreten und daher von dieser Überarbeitung betroffen sind, kritisieren die Überarbeitung des Sicherheitsreglements entschieden.

Eine Pflicht zur Personalisierung stellt für uns einen inakzeptablen Eingriff in die Rechte der Fans und Eigenständigkeit der Vereine dar. Personalisierte Tickets stellen kein Mehr an Sicherheit, sondern lediglich ein Mehr an Datensammlung dar. Millionen von unbescholtenen Fußballfans in ganz Europa werden durch das neue Sicherheitsreglement der UEFA unter einen Generalverdacht gestellt, der nicht im Ansatz berechtigt ist.

Darüber hinaus kritisieren wir in aller Deutlichkeit die Pflicht zur Weitergabe der Daten an Dritte. Der Sinn der Weitergabe an die UEFA erschließt sich schlicht überhaupt nicht. Die Weitergabe an lokale und nationale Polizeibehörden ist darüber hinaus besonders in Hinblick auf fehlende Rechtsstaatlichkeit einiger Länder, deren Vereine an den europäischen Wettbewerben teilnehmen, kritisch zu betrachten.

Bereits im Rahmen der Weltmeisterschaft 2018 in Russland kritisierten Datenschützer und Politiker die Weitergabe von Daten der fragwürdigen „Gewalttäter Sport-Datei“ an russische Behörden. Einträge der ohnehin fragwürdigen Datei an einen Nicht-EU-Staat weiterzugeben, sei rechtsstaatlich in höchstem Maße bedenklich, wenn nicht gar rechtswidrig. Dieses bis dato einmalige Prozedere wird mit dem neuen Sicherheitsreglement zum Regelfall: Fußballfans, die einfach ihrem Verein durch Europa folgen, müssen mit der Weitergabe ihrer Daten an autoritäre und rechtsstaatlich zweifelhafte Staaten und deren Behörden rechnen.

Der unter Punkt 3. aufgeführte Aspekt ist darüber hinaus so schwammig formuliert, dass eine Weitergabe an besagte Staaten auch erfolgen kann, wenn in diesen gar nicht gespielt wird. So ist es dem Wortlaut des neuen Reglements zufolge denkbar, dass bei einem Auswärtsspiel in den EU-Staaten des Baltikums oder in Finnland, Daten an weißrussische Polizeibehörden weitergegeben werden.

Wir als Fanhilfe fordern daher die Rücknahme des überarbeiteten Artikel 16 im Sicherheitsreglement der UEFA. Darüber hinaus fordern wir die international vertretenen Vereine auf, das neue Reglement nicht einfach hinzunehmen, sondern ihre Kritik darüber zum Ausdruck zu bringen und auf eine Änderung hinzuwirken. Dass Borussia fortan Daten der Fans, die sie bedingungslos unterstützen, an autoritäre Staaten übertragen, ist für uns ein inakzeptabler Zustand.

Stadionbesucher dürfen nicht kriminalisiert werden – Artikel 16 des UEFA-Sicherheitsreglements ändern!

Fanhilfe Mönchengladbach

Polizei Mönchengladbach besteht trotz Verwechslung auf Konsequenzen

Das Spiel gegen RB Leipzig beschäftigt nicht nur drei auf fragwürdige Weise mit Hausverboten belegte Fans (die Fanhilfe berichtete). Auch für Jonas Schmidt* (*Name geändert) gab es vor einigen Tagen beim Gang zum Briefkasten eine böse Überraschung.

Im dort liegenden Brief der Mönchengladbacher Polizei wurde Jonas einer körperlichen Auseinandersetzung mit Gästen aus Leipzig beschuldigt. Erkannt wurde er bei der fraglichen Aktion auf frischer Tat wohl von den sogenannten Szenekundigen Beamten (SKB). Aus diesem Grund solle er sich nicht nur als Beschuldigter äußern, sondern ebenfalls zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung im Polizeipräsidium einfinden. Finger- und Handflächenabdrücke, Ganz- und Teilkörperfotos sowie die Dokumentation körperlicher Merkmale sollten erfolgen.

Jonas handelte goldrichtig: Er meldete sich unverzüglich bei der Fanhilfe. Im Normalfall würden wir in einem solchen Fall die Prüfung und bestenfalls Verhinderung der ED-Behandlung durch einen Anwalt veranlassen und Akteneinsicht beantragen. Der Fall von Jonas jedoch sorgte für Verblüffung und lag etwas anders.

Denn: Zum fraglichen Tatzeitpunkt am Spieltag gegen Leipzig verweilte er in 650 Kilometer Entfernung in Nordfriesland und genoss das gute Wetter am Strand. Die Identifizierung der Szenekundigen Beamten war ganz offensichtlich falsch.

Aufgrund des offenkundigen Fehlers der Beamten hielten wir die Einschaltung eines Anwalts samt damit verbundener Kosten für vermeidbar. Jonas rief also beim zuständigen Sachbearbeiter an, schilderte seine Verwunderung in Anbetracht des Vorwurfs und legte dar, dass er zur fraglichen Zeit im Urlaub war. Dafür konnte er auch gleich mehrere Beweise anbringen.

Sache erledigt? Leider nicht. Die Maßnahme sei angeordnet, Jonas habe zum genannten Termin zu erscheinen oder einen alternativen Termin zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu vereinbaren. Der Urlaub in 650 km Entfernung und auch die eindeutigen Belege dafür hätten keine Auswirkungen auf die Erforderlichkeit der Maßnahme, die der Durchführung des Strafverfahrens gemäß § 81b 1. Alt., 483 ff. Strafprozessordnung dient.

Reichlich verdutzt meldete Jonas sich mit dieser Rückmeldung erneut bei der Fanhilfe, die daraufhin dann doch einen Anwalt einschaltete und die Angelegenheit nun auf diesem Wege klären wird.

Und die Moral von der Geschicht‘?

  • …im Urlaub zu sein schützt vor Strafanzeige nicht.
  • …Unschuld schützt vor ED-Behandlung nicht.
  • …SKB’s haben nicht die beste Sicht.

Fanhilfe Mönchengladbach

Wie die Medien eine Falschmeldung verbreiteten und Borussia Mönchengladbach aufgrund der Falschmeldung Sanktionen ausspricht

Seit Red Bull vor zehn Jahren in Leipzig Fuß gefasst hat, sind Spiele gegen das neueste Franchise des Unternehmens ein Aufreger für die Fanszenen, die damit konfrontiert sind. Ebenso wie überall sonst in Deutschland protestieren auch Fans in Mönchengladbach seit Jahren gegen ,,RB‘‘ und ebenso wie überall sonst in Deutschland sorgen Protestaktionen für erhitzte Gemüter und unterschiedliche Auffassungen über die Grenzen des Sagbaren.

Bereits vor zwei Jahren ereiferte sich der in Mönchengladbach für Fußballangelegenheiten zuständige Oberstaatsanwalt Gathen ein Ermittlungsverfahren wegen eines Banners einzuleiten. Die Fanhilfe berichtete seinerzeit, begleitet das nach wie vor laufende Verfahren, in dem die Fans in erster Instanz freigesprochen worden sind und wird über den baldigen Ausgang berichten.

Das letzte Aufeinandertreffen sorgte nun abermals für Diskussionen, da in der Nordkurve neben zahlreichen anderen Spruchbändern auch Banner mit vermeintlich beleidigenden Inhalten gezeigt worden sind. Neben einem an Ralf Rangnick gerichteten Spruchband sorgten auch Spruchbänder für Diskussionen, die die Worte ,,Bullen‘‘ beinhalteten, da sie sich nicht nur gegen den Gegner des Tages, sondern auch die Polizei gerichtet haben könnten.

Die Fanhilfe Mönchengladbach als Rechtshilfe Gladbacher Fußballfans wird sich an dieser Stelle nicht an einer Diskussion beteiligen, was im Stadion zum guten Ton gehören sollte. Die Interpretation des Borussen-Kodex obliegt der Fanszene, die ihn sich auferlegt hat. Wie die Fanszene ihren Protest formuliert, ob sie sachlich bleibt, auf Provokation setzt oder auch beleidigend wirkt, das sehen wir als ureigene Entscheidung der Fanszene selbst an.

Neben diesem selbst gegebenen Kodex der Fanszene kennt das Strafgesetzbuch zwar auch den Tatbestand der Beleidigung, das Grundgesetz jedoch ebenso den Artikel 5 Absatz 1, der die Meinungsfreiheit beinhaltet.

Zu den besagten „Bullen“-Plakaten ist festzuhalten, dass nicht von einer Strafbarkeit nach § 185 StGB ausgegangen werden kann. Sowohl der Bezug zum Gegner aus Leipzig, der sich selbst so bezeichnet, als auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Kollektivbeleidigung, schließen eine Strafbarkeit der fraglichen Äußerungen aus. In Bezug auf das an Ralf Rangnick gerichtete Spruchband ist es einerseits fraglich, inwiefern die bloße Erwähnung der Krankheit bereits eine Schmähung darstellt und andererseits würde es sich hier um ein Antragsdelikt handeln, welches ohne eine Anzeige des Betroffenen ohnehin nicht strafrechtlich verfolgt werden würde.

Die Fanhilfe geht daher davon aus, dass die Plakate, die für die Diskussionen gesorgt haben, keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen.

Darüber hinaus stellt die Fanhilfe Mönchengladbach fest, dass eine von mehreren Medien im unmittelbaren Nachgang des Spiels verbreitete Meldung schlicht erfunden war: Express, BILD, NRZ, MSN, Welt und andere titelten und schrieben unmittelbar nach dem Spiel von drei Verhaftungen wegen beleidigender Banner.

In der Zwischenzeit hat sich ergeben, dass die durch die Medien verbreitete Falschmeldung ihren Ursprung bei Borussia Mönchengladbach selbst hatte. So war es Markus Aretz, im Verein Direktor für Medien und Kommunikation, der in der Pressekonferenz nach dem Spiel von „drei Verhaftungen noch während des Spiels“ sprach. Die Fanhilfe bleibt bei ihrer Kritik, dass journalistische Sorgfalt erstens eine Prüfung des falschen Sachverhalts bedeutet hätte und zweitens ein Bezug zu den beleidigenden Bannern nicht hätte konstruiert werden dürfen. In die Kritik schließen wir aufgrund der neuen Erkenntnis jedoch auch den Pressesprecher des Vereins ein, der in diesem Fall unsauber formuliert und die Mär von Verhaftungen so erst auf den Weg gebracht hat.

Dazu ist zu sagen, dass keine einzige Verhaftung wegen eines Banners erfolgt ist. Viel mehr sind lediglich drei Fans, die ein Banner im Bereich der Südkurve aufgehangen haben, wegen der Nicht-Anmeldung vom Ordnungsdienst des Stadions verwiesen worden. Die besagten Fans mussten sich beim Verlassen das Stadions dazu noch einer einfachen Personalienkontrolle der Polizei unterziehen. Sie wurden nicht in Gewahrsam genommen oder des Platzes verwiesen, geschweige denn verhaftet. Dies wäre auch insofern überraschend, als es sich bei dem fraglichen Banner nicht um eines der diskutierten Spruchbänder handelt, sondern um den einfachen Spruch: „Fans, die den Fußball weder lieben, noch verstehen.“ Eine strafrechtliche Relevanz kann dort in keiner Weise bestehen.

Die Fanhilfe kritisiert die unsaubere journalistische Arbeit und falsche Darstellung der Tatsachen in diesem Fall auf das Schärfste. Die öffentliche Empörung über diskutable Äußerungen darf nicht dazu führen, journalistische Standards auf der Strecke zu lassen und Unwahrheiten zu verbreiten.

Nun ist die falsche Darstellung die eine Sache, handfeste Konsequenzen sind eine andere. So sprach Borussia Mönchengladbach Anfang dieser Woche Hausverbote bis zum 31.8.2019 gegen die betroffenen Fans und sperrt sie somit für den Rest der laufenden Saison sowie den Start der nächsten Spielzeit aus. Zur Begründung führt der Verein einen Verstoß gegen die Stadionordnung an, bezieht sich auf das Aufhalten in einem anderen Stadionbereich und auf das Verbot „menschenverachtende, gewaltverherrlichende, rassistische, fremdenfeindliche, diskriminierende, rechts- bzw. linksradikale, politisch-extremistisch, obszöne-anstößige oder provokative-beleidigende Parolen zu äußern“.

Der Fanhilfe Mönchengladbach erschließt sich nicht, inwiefern der oben besagte Spruch eines der zuvor genannten Kriterien erfüllt. Auch die Begründung, dass das Aufhängen des Banners im Bereich der Südkurve für das Hausverbot herhalten soll, ist insofern weit hergeholt, als dass dies seit Bestehen des Stadions regelmäßig getan wird und noch nie zu Problemen geführt haben soll.

Viel mehr verläuft sich Borussia Mönchengladbach an dieser Stelle in einen blinden Aktionismus, getrieben von Falschmeldungen der Medien und bestraft ausgerechnet drei Fans, die gerade das gemacht haben, was der Verein und andere Vertreter immer fordern: Protest und Kritik ohne Beleidigungen zu formulieren.

Mit großer Besorgnis beobachtet die Fanhilfe Mönchengladbach, dass eine gründliche Prüfung von Sachverhalten nicht mehr nur nicht in den Medien, sondern auch bei den für Sicherheitsfragen zuständigen Personen von Borussia Mönchengladbach nicht mehr stattfindet. Wir stehen den betroffenen Fans gegenüber dem Verein und den Falschmeldungen zur Seite. Den Verein fordern wir auf, die Hausverbote unverzüglich einzustellen.

Fanhilfe Mönchengladbach

Vortragsabend am 22.10.2018

Kurz bevor die Bundesliga die aktuelle Länderspielpause beendet, haben wir als Fanhilfe bereits einen Termin für euch:

Am kommenden Donnerstag veranstalten wir einen Vortragsabend im Jugendzentrum von De Kull. Themen werden das Forschungsprojekt KVIA-Pol und die geplante Neuerung des Polizeigesetzes in NRW sein.

Besonders freuen wir uns über die Referenten, die uns mit ihrer Expertise zur Verfügung stehen:

  • Johannes Daners, Partner der Kanzlei DMFH – Fachanwälte für Strafrecht, wird uns über das geplante Polizeigesetz aufklären.
  • Vertreter der Ruhr-Universität Bochum werden uns über ihr kürzlich angelaufenes Forschungsprojekt KVIAPOL berichten.

Für Nachfragen und Diskussionen habt ihr anschließend natürlich die Gelegenheit.
Die Veranstaltung beginnt um 19:30 Uhr, die Adresse lautet: Hehner Str. 54, 41069 Mönchengladbach

Fanhilfe Mönchengladbach

Datenabfrageaktion beim kommenden Heimspiel gegen Mainz

„3.100 Hooligans in NRW-Vereinen“ – so titelte die Rheinische Post vor einigen Wochen. Sie bezog sich damit auf die berühmt berüchtigte „Datei Gewalttäter Sport“ und die in ihr gespeicherten Fans, die aus Nordrhein Westfalen stammen.

Wir als Fanhilfe kritisierten über unseren Facebookkanal schnell die reißerische Überschrift, ebenso wie weitere Inhalte des Berichts. Zur Ehrenrettung der RP muss man sagen, dass der Artikel insgesamt ausgewogener war, als es die populistische Überschrift erstmal erahnen ließ und sie sie auf unsere Kritik hin abgeändert haben – auch, wenn wir mit der ersatzweise eingesetzten Headline „NRW-Klubs haben ein Gewaltproblem“ ebenfalls nicht d’accord gehen. Das tun wir deshalb nicht, weil wir der Auffassung sind, dass gerade die besagte Datei keinerlei Aussagekraft über Fans und Gewalt im Fußballkontext hergibt.

Warum sehen wir das so? Um das zu beantworten, liefern wir euch im Folgenden einen kurzen Crashkurs in Sachen „Gewalttäter Sport“ – was ist das eigentlich?

1994 wurde diese Datei nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz eingerichtet und wird seitdem von der Zentralen Informationsstelle Sport (ZIS) geführt, die ihren Satz unweit von uns in Duisburg hat und beim Landeskriminalamt NRW angesiedelt ist. In ihr sollen zentral Personen erfasst werden, die bei Fußballspielen durch Gewalt- oder Straftaten bereits auffällig geworden sind oder bei denen die Polizei davon ausgeht, dass sie auffällig werden könnten.

Das Ende des letzten Satzes haben wir bewusst dick markiert, da dies einer der großen Knackpunkte in Hinblick auf die Datei ist. Da die Bestimmungen, wer wie in die Datei aufgenommen wird, sehr schwammig sind, kann wirklich jeder in den „Genuss“ eines Eintrags kommen. Ein weiterer Knackpunkt: Personen, die in die Datei aufgenommen werden, werden darüber nicht informiert.

Eine Aufnahme in die Datei erfolgt, wenn:

  • Eine Person strafrechtlich verurteilt worden ist – auch, wenn es sich dabei um Straftaten handelt, die nichts mit Gewalt zu tun haben.
  • Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist – auch, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt oder mit einem Freispruch beendet wurde.
  • Es zu einem Platzverweis, einer Ingewahrsamnahme oder einer Personalienaufnahme gekommen ist – auch, wenn gar nichts strafrechtlich Relevantes passiert ist, geschweige denn im Nachgang dieses Ereignisses ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.

Diese Punkte gelten nicht nur für das Stadion an sich. Auch das Stadionumfeld, die gesamte Hin- und Rückreise und sogar Ereignisse außerhalb von Spieltagen können zu einem Eintrag führen. Ebenso ist es irrelevant, ob man alleine, in einer individuellen Kleingruppe, einem Bus oder einem großen „Mob“ unterwegs ist – gespeichert wird immer!

Es ist unschwer auszudenken, dass diese Verfahrensweise zu einer Masse an Eintragungen führt, die a) zumindest nichts mit Gewalt zu tun haben und damit dem Namen der Datei zuwiderlaufen oder b) nicht einmal strafrechtlich relevant sind, geschweige denn eine Verurteilung als Basis haben.

Beispielsweise könnte das Überqueren einer roten Ampel als gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr oder das Kleben eines Stickers an einen Stadionzaun als Sachbeschädigung gewertet werden und beide Fälle würden ausreichen um fortan von der Polizei als „Gewalttäter Sport“ geführt zu werden. In einem anderen Fall könnte eine massenhafte und anlasslose Personalienfeststellung eines kompletten Buskonvois, wie wir sie in Mönchengladbach bereits erleben mussten, dafür sorgen, dass hunderte Fans auf einmal in der Datei landen – ohne irgendwie mit einer Straftat in Verbindung gebracht worden zu sein.

Dass die Polizei sich hier tatsächlich in blinder Sammelwut übt, brachte vor gut zwei Monaten die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion ans Licht:

  • 2.898 Eintragungen (etwa 28% der gesamten Datei) stammen von Personalienfeststellungen, Ingewahrsamnahmen und Platzverweisen – gegen mehr als jede vierten „Gewalttäter Sport“ wurde also nicht einmal ermittelt.
  • Darüber hinaus wurde gegen weitere 2.168 Personen lediglich wegen Beleidigung, Pyrotechnik oder Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz (in der Regel Vermummungsverbot) ermittelt – diesen über zweitausend „Gewalttätern Sport“ wurde also gar keine Gewalt vorgeworfen.

Insgesamt ergibt sich also, dass rund die Hälfte aller „Gewalttäter Sport“ gar nicht vorgeworfen worden ist, Gewalt ausgeübt zu haben.

So skurril das Ganze klingen mag, so unschön sind die Auswirkungen auf die Betroffenen. Es bleibt nämlich nicht dabei, dass man in Statistiken geführt wird, die dann nachher in der RP so ausgelegt werden, dass das Bundesland oder der Verein des Fans ein „Gewalt-Problem“ hat. Ansprachen der Bundespolizei vor der Aus-/Einreise am Flughafen, ganze Ausreiseverbote, Meldeauflagen oder Gefährderansprachen können erfolgen. Zudem übermitteln deutsche Sicherheitsbehörden Informationen zum Teil auch ins Ausland, zuletzt bei der Weltmeisterschaft in Russland an den Gastgeber.

Genug der Ausführungen über die Datei. Wie wir bereits erwähnt hatten, werden Fans nicht über die Eintragung ihrer Person als „Gewalttäter Sport“ informiert. Wir als Fanhilfe wollen die Diskussion um den eingangs erwähnten RP-Artikel dazu nutzen, eine groß angelegte Abfrage an die ZIS zu starten. Dies hat den doppelten Effekt, dass ihr von eurem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gebraucht macht und wisst, was die Polizei über euch speichert und wir als Fanhilfe transparent machen können, in welchem Ausmaß und wie abstrus wie Datensammelwut auch die Gladbacher Fanszene betrifft.

Wir rufen daher auf, beim kommenden Heimspiel gegen Mainz am 21.10.2018, bei unserer Datenabfrageaktion teilzunehmen.

Alles, was ihr dafür tun müsst, ist vor dem Spiel zum Fanhilfestand (zentral vor der Nordkurve am Bus des Fanprojekt DeKull) zu kommen, einen Antrag auszufüllen und euren Personalausweis scannen zu lassen. Die Kopie verlangt die ZIS leider zur Verifizierung eures Antrags – wir werden die Daten, soweit dies möglich ist, jedoch schwärzen, sodass nur die Angaben zu sehen sind, die für die Verifizierung absolut notwendig sind. Der Fanhilfestand hat ab 2 ½ Stunden vor Anpfiff bis 15 Minuten vor Anpfiff für Euch geöffnet!

Kommt vorbei, macht mit und nehmt so euer Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Anspruch! Know your data!

Fanhilfe Mönchengladbach

Öffentlichkeitsfahndung betrieben, Leben auf den Kopf gestellt – Verfahren eingestellt!

Im März 2017 leitete die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin auf Beschluss des Amtsgerichts Dortmund eine Öffentlichkeitsfahndung gegen neun Fans von Borussia Mönchengladbach ein. Die Personen wurden beschuldigt im Zusammenhang mit Vorfällen in einem Zug nach dem Auswärtsspiel unserer Borussia in Wolfsburg am 5.3.2016 zu stehen.

Die Fanhilfe Mönchengladbach äußerte sich daraufhin kritisch zu diesem schweren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Nicht nur, dass die Öffentlichkeitsfahndung ein Instrument ist, welchem grundsätzlich hohe Schranken für die Zulässigkeit vorgegeben sind, war Anlass für diese Kritik. Mehr noch: Bei einigen Fans war die öffentliche Fahndung ganz offensichtlich nicht notwendig oder begründet. Nachzulesen ist unsere damalige Stellungnahme hier.

Es ist wohl unschwer vorstellbar, welche gravierenden Folgen eine Öffentlichkeitsfahndung mit diesem Tatvorwurf für jeden Beteiligten hat. Unangenehme Fragen und Vorverurteilungen von Freunden und Familienangehörigen bis hin zu Konsequenzen am Arbeitsplatz – diese Erfahrungen scheinen nicht nur naheliegend, sondern sind uns auch von einigen Betroffenen tatsächlich berichtet worden.

Man sollte meinen, dass der gravierende Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, der oben besagte Folgen im persönlichen Bereich nach sich zieht, von den Behörden nur mit äußerster Sorgfalt eingesetzt wird. Dass, wenn schon darauf zurückgegriffen wird, eine Schuld des Beteiligten nahezu zweifelsfrei besteht und er nicht anders zu ermitteln ist, als durch diese Fahndung.

Wie gesagt: Man sollte meinen.

Dass die Bundespolizei in dieser Sache offensichtlich anders meint, beweisen mehrere Briefe, die zuletzt bei einigen Betroffenen der Fahndung eingetroffen sind. In diesen wurde ihnen mitgeteilt, dass die Ermittlungsverfahren nach § 170.2 StPO eingestellt werden. In den zwischenzeitlichen 10 Monaten hatten sich die Betroffenen mithilfe der Fanhilfe und Anwälten bei der zuständigen Behörde gemeldet, um nicht mehr öffentlich gesucht zu werden und ansonsten nichts von der Sache gehört.

Es bleibt also festzuhalten, dass mehrere Personen zu Unrecht öffentlich mit Gewalttaten in Verbindung gebracht worden sind. Welchen Anlass die Bundespolizei sah, die Fans öffentlich derart bloßzustellen, ist bis heute nicht zu sagen. Dass die Verfahren eingestellt worden sind, ohne dass es überhaupt zu einer Anklage gekommen ist, lässt den Schluss zu, dass hier leichtsinnig und nicht im Sinne des Gesetzes mit der Privatsphäre von Menschen gespielt worden ist.

Die Fanhilfe Mönchengladbach sieht sich in ihrer, im Nachgang der Öffentlichkeitsfahndung geäußerten Sorge bestätigt, dass die Bundespolizei in diesem Fall Grundsätze außer Acht gelassen
hat, die bei der Anwendung solcher strafprozessualen Mittel gewahrt werden müssen. Auch der zuständige Richter muss sich die Frage stellen lassen, ob die Anordnung dieser Maßnahme mit der nötigen Sorgfalt geprüft wurde oder ob hier blindlinks den Wünschen einer unsauber arbeitenden Behörde stattgegeben wurde. Es ist zu appellieren, dass zukünftige Fälle sorgsamer abzuwiegen und die Persönlichkeitsrechte unbescholtener Fans zu beachten sind.

Darüber hinaus wird die Fanhilfe den betroffenen Fans dabei helfen, Regressforderungen geltend zu machen und die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme feststellen zu lassen. Fans, die in Zukunft Opfer solcher polizeilicher Willkür werden, ermuntern wir sich bei uns zu melden – Wir helfen Euch!

Fanhilfe Mönchengladbach

Polizeiliche Einstufung des Stadionparkplatzes P4 in einen „gefährlichen Ort“

Einer großen deutschen Tageszeitung ist heute zu entnehmen, dass der Stadionparkplatz P4 des BORUSSIA PARKs als ein sogenannter „gefährlicher Ort“ eingestuft wird. Der Parkplatz gehöre damit nach der Schlagzeile der besagten Zeitung zu den „gefährlichsten Orten in NRW“, an dem am Spieltag zahlreiche Straftaten begangen würden.

Die Einstufung als solche erfolgt nach § 12 Abs. 1.2. des Polizeigesetz NRW. Sie verschafft der Polizei an diesem Ort weitreichendere Befugnisse. So sind beispielsweise polizeiliche Maßnahmen gegen Personen ohne das Bestehen eines konkreten Tatverdachts ermöglicht. Ein personenübergreifender Verdacht gegen ganze Gruppen bis hin zu allen Anwesenden des Ortes, unabhängig von einem tatsächlich vorliegenden Gefahrenpotenzial, ist dadurch gegeben. Die Hürden für Aktionen der Staatsgewalt sind im Vergleich zu anderen Orten also deutlich herabgesetzt. Eine Klassifizierung als gefährlicher Ort legitimiert sich dabei maßgeblich durch die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) – also durch die Polizei selbst.

Die Fanhilfe Mönchengladbach kritisiert die Suggestion, dass es sich bei dem Stadionparkplatz um einen außergewöhnlich kriminalitätsbelasteten Ort handelt. Die besondere Situation eines Bundesligaspiels, sowie das oftmals problematische Verhältnis zwischen Polizei und Fans folgern eine Reihe von Punkten, die die Einstufung bedenkenswert erscheinen lassen.

  • Jedes Bundesligaspiel wird von einer mittleren fünfstelligen Zahl von Fans besucht, ein großer Teil dieser Menschen parkt auf den Stadionparkplätzen. In Mönchengladbach dürfte es keine vergleichbare Konzentration von Personen auf engem Raum zu einem bestimmten Zeitpunkt geben. Dass eine so dermaßen hohe Zahl an Personen an einem Ort zu einer Zeit zu einer höheren Zahl an Straftaten führt als an einem Ort, an dem sich nur ein Bruchteil der Personenzahl befindet, ist natürlich. Vergleiche in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Kriminalitätsbelastung bei Fußballspielen im Verhältnis zu anderen Orten aber keineswegs erhöht ist.
  • Fußballspiele werden von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Eine regelmäßig dreistellige, manchmal vierstellige Anzahl an Beamten sorgt für eine extrem überdurchschnittliche Polizeipräsenz. Diese Tatsache führt ebenfalls logischerweise zur Erfassung von mehr Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Einfach ausgedrückt: Während eine Schlägerei in der Altstadt oder Kneipe oft unbemerkt und somit ungeahndet von der Polizei abläuft, kann eine Schubserei neben dem Stadion schnell zum Anrücken einer Hundertschaft führen.
  • Der Stadionparkplatz P4 wird seit Mai 2016 als „gefährlicher Ort“ geführt, was der Polizei bereits seit diesem Zeitpunkt weitreichendere Befugnisse verschafft. Die einfachere Identitätsfeststellung oder Durchsuchung von Fans und Fangruppen führt ebenfalls zwangsweise zu einer erhöhten Belastung in der PKS. Gerade in Kombination mit dem vorigen Punkt erscheint es logisch, dass viele Polizisten und eine leichtere Handhabe repressiver Maßnahmen zu einer regelrechten Spirale von erfasster Kriminalität führen, die aber nichts mit einer objektiven und im Verhältnis zu anderen Orten stehenden Einschätzung zu tun hat.
  • Zuletzt ist anzumerken, dass die Polizei ein ureigenes Interesse daran hat, dass der Stadionparkplatz als „gefährlicher Ort“ eingestuft wird. In ihrer Arbeit, die oftmals von Konflikten mit Fans begleitet wird, erleichtert es ihr repressive Maßnahmen gegen für sie unliebsame Gruppen und Personen. Es ist zu bedenken, dass die Polizei bewusst und mit Nachdruck zu der Einstufung als „gefährlicher Ort“ beiträgt, da es ihr die besagten Möglichkeiten verschafft. Dies wiederum hat dann aber ebenfalls nichts mit einer objektiven Gefahr zu tun, sondern mit einem subjektiv und aus eigenen Interessen herbeigeführten Zustand.

Die Fanhilfe Mönchengladbach spricht sich ausdrücklich dagegen aus, dass das Stadionumfeld unnötig kriminalisiert und als Angstraum stigmatisiert wird. Erfahrungen von Fans und Kampagnen wie „Ich fühl‘ mich sicher“ haben gezeigt, dass regelmäßige Stadionbesuche keine überdurchschnittliche Gefahr im und um deutsche Stadien fürchten – auch nicht in Mönchengladbach.

Wir appellieren an die Medien von populistischer Stimmungsmache, die nichts mit den realen Erfahrungen rund um unser Stadion zu tun hat, abzusehen. Die Einstufung sollte kritisch und objektiv betrachtet und dann anständig eingeordnet, anstatt für reißerische Überschriften verwendet zu werden.

Zur näheren Auseinandersetzung mit dem Thema empfehlen wir das Essay „Die Konstruktion gefährlicher Orte“: http://www.sozialraum.de/die-konstruktion-gefaehrlicher-orte.php

Fanhilfe Mönchengladbach

Ermittlungsverfahren wegen Spruchband

In den vergangenen Tagen haben mehrere Borussia-Fans Anzeigen wegen der „Belohnung und Billigung von Straftaten“ [§140 StGB) erhalten. Konkret ermittelt wird wegen eines Spruchbands gegen Red Bull Leipzig mit folgendem Wortlaut:

Wir verurteilen jeden geworfenen Stein
…der euch Kunden nicht getroffen hat.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach beobachtet die Entwicklung, dass die Staatsanwaltschaft sich offenbar zunehmend Meinungsäußerungen im Stadion zuwendet, mit Sorge. Klar ist, dass das Stadion keinen rechtsfreien Raum darstellt. Trotzdem sind sowohl allgemein, als auch in Bezug auf diesen Fall mehrere Bedenken anzumelden:

– Grundsätzlich setzt der Tatvorwurf voraus, dass die Beschuldigten um den Inhalt des Spruchbands wussten. Dies ist bei jeglichen Aktionen im Stadion fraglich und oftmals nur schwer festzustellen. Im Extremfall beteiligen sich beispielsweise bei der Durchführung einer Choreographie zehntausende Fans an einer Aktion, deren (potenziell strafbaren) Inhalt sie vorher nicht kennen. Das Entrollen eines Spruchbands findet natürlich in einem sehr viel kleineren Rahmen statt – wenn Fans, die nicht um den Inhalt wissen, mit in das Entrollen, Hochhalten oder Aufhängen mit einbezogen werden, ist es jedoch das gleiche Prinzip.
– Der Inhalt des besagten Spruchbands bezieht sich wohl auf Vorkommnisse in Dortmund, die sich zwei Wochen vor dem Spiel in Mönchengladbach ereignet haben. Diese Ereignisse haben eine enorme Debatte rund um den Umgang mit dem Bundesliganeuling ausgelöst und bestimmten lange Zeit die (Sport-)Nachrichten. Eine Auseinandersetzung mit dieser regelrechten Hysterie muss Fans erlaubt sein. Wenn diese in satirischer, sarkastischer und (wie es für ein Fußballstadion nicht unüblich ist) überspitzter Form formuliert wird, muss es sich nicht zwangsweise um eine tatsächliche Billigung von Straftaten handeln. Vielmehr ist zu bedenken, dass auch solche Äußerungen von den in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschriebenen Meinungs- und Kunstfreiheiten gedeckt sind.

Wie bereits gesagt, ist das Stadion natürlich kein rechtsfreier Raum. Wenn nun aber dazu übergegangen wird Meinungsäußerungen von Fans, so satirisch oder überspitzt sie auch formuliert sein sollten, auf diese Art zu kriminalisieren, wird dies am langen Ende niemandem nützen. Zu befürchten ist viel mehr, dass Fans sich dadurch notgedrungen Wege suchen, um anonym Spruchbänder zeigen zu können – analog der Vorgehensweise bei pyrotechnischen Aktionen.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach bezweifelt aus diesen Gründen die Haltbarkeit der Vorwürfe und bedauert die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Alle Fans, die von den Ermittlungen betroffen sind, rufen wir dazu auf sich bei uns zu melden. Wir helfen Euch!

Fan-Hilfe Mönchengladbach

Fan-Hilfe Mönchengladbach kritisiert Polizeieinsätze vor und nach dem Derby gegen Köln

Die bloße Resonanz auf unseren Aufruf am gestrigen Morgen, sich bitte mit Augenzeugenberichten, sowie Foto- und Videomaterial und gegebenenfalls ärztlichen Attesten an uns zu wenden, zeigt, dass hier zwei Polizeieinsätze stattgefunden haben, die eine Vielzahl von Borussiafans aus dem gesamten Spektrum der Fanszene negativ betroffen haben. In diesen und den Reaktionen auf einen ähnlich lautenden Aufruf des FPMG Supporter Club‘s sehen wir ein breites Unverständnis innerhalb der Gladbacher Fanlandschaft über nicht nachvollziehbares Verhalten der Polizei.

Wir wollen im Folgenden die Geschehnisse aus Sicht dutzender Augenzeugenberichte und eigenen Beobachtungen rekonstruieren und bewerten:

1. Geschehnisse am Mönchengladbacher Hauptbahnhof vor dem Spiel:

Ein Marsch von rund 500 Borussia-Fans erreichte gegen 11:15 Uhr den Mönchengladbacher Hauptbahnhof. Dort hatte die Bundespolizei den Haupteingang durch mehrere Einsatzfahrzeuge und viele Beamte künstlich verengt, um immer nur einige wenige Fans zeitgleich in den Bahnhof zu lassen und so Kontrollen durchzuführen. Diese Kontrollen fanden dann jedoch erst am Aufgang zum Bahnsteig statt, bei dem die Fans erneut nur einzeln durchgelassen, abgetastet und gegebenenfalls ihre Taschen durchsucht worden sind.

Eine volle Stunde vor der geplanten Abfahrt des Entlasters um 12:15 begaben sich die Borussia-Fans also in die besagte Prozedur. Weitere Fans, die nicht an dem Marsch teilgenommen hatten, folgten in der Zwischenzeit. Man sollte meinen, dass dies mehr als genug Zeit sein solle um die Fans ,,abzufertigen‘‘ und in den Zug zu bekommen. Eigentlich ist es nicht einmal selbstverständlich, dass die Fans überhaupt eine Stunde vor Abfahrt bereits da waren und man kann in dieser Tatsache durchaus ein Entgegenkommen der Fanszene gegenüber der Polizei sehen.

Nichtsdestotrotz ließ die Bundespolizei die Fans nur so langsam durch, dass sich die Abfahrt des Zuges auf 12:45 Uhr verschob und zu diesem Zeitpunkt noch circa 150 Fans vor dem Hauptbahnhof festgehalten wurden. War die Situation bis zu diesem Zeitpunkt noch genervt, aber stillschweigend und ruhig von den Borussia-Fans akzeptiert worden, kippte die Stimmung nun. Nach geschlagenen 1 ½ Stunden, in denen die Beamten sämtlichen Fans immer wieder versicherten, dass jeder in den Entlaster einsteigen könne, fuhr der besagte Zug weg. Einen alternativen Regionalzug zu nehmen, wurde von den Beamten ebenfalls erst einmal verhindert und den Fans wurde weiterhin der Zugang zum Bahnhof verwehrt.

Aus dieser Situation heraus entwickelten sich nun erste Unruhen in Form von Drängelei und verbalen Unmutsbekundungen aus den Reihen der zurückgebliebenen Fans, welche jedoch ausdrücklich nicht körperlich wurden. Das Verständnis einiger Beamten, die die Schuld an der Warterei ihrem Einsatzleiter in die Schuhe schoben, schlug unvermittelt und ohne ersichtlichen Anlass in einen massiven Einsatz von Pfefferspray gegen die Fans um, als besagter Einsatzleiter der Bundespolizeidirektion St. Augustin den Befehl für diesen Einsatz erteilte. Die in der Folge verletzten Fans wurden von der Polizei stur weiter in der Menge und nicht durch die Absperrung durchgelassen. Eine Behandlung gereizter Augen der unschuldigen Fans mit Flüssigkeit und das Rufen von Rettungswagen wurden verweigert. Lediglich eine Frau, die aufgrund der Situation komplett zusammengebrochen ist, wurde von vier Beamten aus der Menge zu Sanitätern getragen.

Unabhängig voneinander berichteten uns viele Fans, dass bei den eingesetzten Beamten zum Teil Unmut und rege Diskussionen über den Einsatzbefehl des Einsatzleiters stattfanden. Dieser würde ,,seine bekannte Show abziehen‘‘ und kein Interesse an einer Deeskalation, geschweige denn einer Lösung im Sinne der zurückgebliebenen Fans haben.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach unterstreicht, nach der Auswertung von zahlreichen Augenzeugenberichten und Videomaterial, in aller Deutlichkeit, dass dieser Pfeffersprayeinsatz ohne einen zuvor geschehenen tätlichen Angriff stattgefunden hat. Bei den zurückgebliebenen Fans handelte es sich nicht um ,,gewaltbereite Fans‘‘, sondern um normale Borussen, u.a. auch Frauen und Kinder, die lediglich ihren Unmut über die nicht nachvollziehbare Prozedur kund getan haben. Drängeleien sind darüber hinaus nur dadurch entstanden, dass die Einsatzfahrzeuge der Polizei den Zugang, wie bereits erwähnt, künstlich verengt haben. Der Pfefferspray-Einsatz war daher in unseren Augen nicht gerechtfertigt.

Schikanen auf dem Bahnsteig runden das Bild der Bundespolizei in Mönchengladbach an diesem Tag ab. Ein besonders vielsagender Vorfall stellen die Personalienkontrolle von und die mündliche Verwarnung an einige Fans dar, welche sich an einem Gebüsch am Rand des Bahnsteigs erleichterten. Abgesehen davon, dass dies nach über einer Stunde in der Kontrolle ohne die Möglichkeit eines Toilettengangs und bei fehlenden Toiletten im noch stehenden Zug ein Nachkommen menschlicher Bedürfnisse darstellt, urinierten einige Polizisten zum gleichen Zeitpunkt einige Meter weiter in das gleiche Gebüsch. Auf den Hinweis darauf, reagierten die Beamten lediglich mit dem Hinweis, dass die Situationen nicht zu vergleichen seien.

2. Geschehnisse vor und im Ehrenfelder Bahnhof nach dem Spiel:

Wie üblich fuhren die Fans vom Stadion in Müngersdorf mit der S-Bahn zum Kölner Bahnhof Ehrenfeld um von dort die Rückreise nach Mönchengladbach anzutreten. Die letzten Fans erreichten um 18:15 Uhr, also eine knappe Stunde nach Abpfiff, Ehrenfeld. Die Polizei versperrte den Zugang zum Bahnsteig bis der Entlaster um circa 18:40 einrollte.

Was folgte, kann man mit nur mit einigem Zynismus als Versuch der Bundespolizei werten, die Quetschszenen von vor dem Spiel zu übertreffen. Der eine Zugang zum Bahnsteig wurde von jeweils mehreren Beamten auf jeder Seite der Treppe so sehr verengt, dass lediglich zwei Menschen nebeneinander die Treppe begehen konnten. Da keine Kontrolle stattgefunden hat, erschließt sich der Sinn dieser Positionierung nicht. Darüber hinaus wurde nach einigen dutzend Fans jedes Mal aufs Neue der Zugang für einige Minuten versperrt. Auch dieses Vorgehen kann schlicht und ergreifend nur als sinnlos bezeichnet werden, da der Entlaster doch bereits am Gleis stand und sämtliche Fans ohne Probleme den Zug hätten besteigen können. Man kann die Maßnahme nicht anders als als Schikane verstehen.

Das dadurch entstehende Gedränge führte in der Unteführung des Bahnhofs erneut – man kann es leider nicht anders formulieren – zu Szenen, die stark an das Unglück der Duisburger Loveparade erinnern. Kreislaufprobleme bis hin zu Ohnmachtsanfällen bei Fans waren die Folge.

Die darauf hingewiesenen Beamten reagieren entweder gar nicht, mit einem Schulterzucken oder gar amüsiert. Man müsse sich ja nicht in solche Situationen begeben. Dass man selbst der Grund für diese schlimme Situation war, wollte man nicht einsehen. Ein Beamter teilte der eingequetschten Masse lediglich mit, man sollte doch bitte „einen Meter Abstand“ zum jeweiligen Nebenmann halten. Inwiefern das zu einem Zeitpunkt möglich hätte sein sollen, der der die Fans aufgrund der Enge bereits komplett bewegungsunfähig waren, bleibt mindestens fraglich.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach stellt sich folgende Fragen:

– Wie kann es sein, dass die Bundespolizei sowohl in Ehrenfeld, als auch in Mönchengladbach die Zugänge so sehr künstlich verengt, dass Quetschszenen bei lang anhaltenden Absperrungen praktisch vorprogrammiert sind?
– Wie viel Zeit plant die Bundespolizei für die Kontrolle von Fußballfans ein? Plant sie ihren Einsatz so, dass Fans viele Stunden vor einer Abfahrt am Bahnhof sein müssten, um einen Zug nehmen zu können?
– Warum reagiert die Bundespolizei nicht ansatzweise auf die Anregungen der eingesetzten Mitarbeiter des sozialpädagogischen Fanprojekts und verweigert sogar eine Zusammenarbeit mit diesen?
– Warum ignoriert die Bundespolizei seit Jahren den Vorschlag der besagten Fanprojektler, Sonderzüge nicht mehr auf Gleis 1 des Hauptbahnhofs abfahren zu lassen, sondern aus Gleis 2 oder sonstwo? An allen Gleisen im Hauptbahnhof gibt es zwei Aufgänge und Kontrollen könnten doppelt so schnell durchgeführt werden – man beharrt aber krampfhaft auf Gleis 1, wo dies nicht möglich ist.
– Warum befiehlt der Einsatzleiter der Bundespolizeidirektion St. Augustin ohne Grund einen massiven Einsatz von Pfefferspray gegen ungeduldig, aber friedlich wartende Fans, die zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Beamten darstellten?

In den Tagen vor dem Derby gab es von Vereins- und Supporters Club-Vertretern beider Vereine eindringliche Aufrufe an die Fanszenen. Der Tenor war, dass man sich nicht selbst den Ast absägen dürfe, auf dem man sitzt. Politik, Polizei und Co. würden nur auf das Fehlverhalten von Fans warten um die Repressionsschraube weiter anzuziehen und Derbys in Zukunft beispelsweise ohne Gästefans stattfinden zu lassen.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach beobachtet mit Sorge, dass es anscheinend überhaupt nicht nötig ist, dass Fans diesen sprichwörtlichen Ast absägen müssen. Viel mehr setzt die Polizei die Axt selbst auch dann an, wenn überhaupt gar kein Fehlverhalten der Fanseite vorliegt. In aller Klarheit wollen wir sagen: Dass bei beiden Geschehnissen nicht viel Schlimmeres passiert ist, ist nicht selbstverständlich und liegt einzig und allein an der Besonnenheit der Fans.

Wir hoffen, dass die verantwortlichen Stellen diesen missglückten Einsatz analysieren, Konsequenzen für die leitenden Personen gezogen werden und vergleichbare Einsätze in Zukunft nicht mehr so organisiert werden, dass unschuldige Fans grundlos zu Schaden kommen. Wir befürchten allerdings, dass unsere Fragen wie so oft unbeantwortet werden bleiben und eine Reflektion der Geschehnisse nicht stattfindet und ein ,,Weiter so‘‘ die Parole der Polizei darstellt.

Darüber hinaus bedauern wir, dass unser Verein Borussia Mönchengladbach sich bislang nicht zu den Ereignissen rund um die massiven Behinderungen bis hin zu Angriffen auf seine Fans geäußert hat. Bei dermaßen unverhältnismäßigen Maßnahmen, die Leib und Leben von Borussiafans gefährdet haben, sollte auch der Verein Stellung beziehen. Wir hoffen, dass Borussia Mönchengladbach sich in dieser Angelegenheit nicht versteckt.

Betroffene Fans bitten weiterhin, sich bei uns zu melden.

Fan-Hilfe Mönchengladbach

Fan-Hilfe Mönchengladbach kritisiert Betretungsverbote in Köln

Mehrere dutzend Fans von Borussia Mönchengladbach sind beim morgigen Derby von sogenannten Betretungs- und Aufenthaltsverboten (gemäß § 34 (2) PolG NRW) betroffen. Eine solche Maßnahme stellt einen schweren Eingriff in die Reisefreiheit der Betroffenen dar.

Wir hatten uns bereits Ende vergangenen Jahres zu Betretungsverboten in Köln geäußert, nachdem ein Mitglied der Fan-Hilfe erfolgreich gegen sein Betretungsverbot geklagt und das Verwaltungsgericht Köln die Rechtswidrigkeit der Maßnahme bestätigt hatte:
http://fanhilfe-moenchengladbach.de/betretungsverbot-wegen-einseitiger-ermittlungen-gekippt/

Darüber hinaus haben wir auch in anderen Zusammenhängen die Aussprache solcher Verbote nach dem „Gießkannenprinzip“ kritisiert, da die Begründungen oftmals nicht den Eindruck erwecken, dass hier eine genaue Anschauung der Person vorgelegen und man nach rechtsstaatlichen Kriterien abgewogen hat.

Bei den besagten Verboten für das anstehende Derby ist uns in diesem Zusammenhang besonders das Schreiben gegen den Borussia-Fan Kalle (*Name geändert) ins Auge gefallen. Es bestätigt unsere Sicht, dass die Verbote mindestens zum Teil aufgrund von fragwürdigen Begründungen ausgesprochen werden. Außerdem finden sich in dem Schreiben mehrere Stellen, die wenigstens auf ein unsauberes Arbeiten des Polizeipräsidiums Köln schließen lassen.

Die Begründung beginnt mit folgendem Wortlaut:

Dazu muss gesagt werden, dass Kalle nur insofern ,,strafrechtlich in Erscheinung getreten‘‘ ist, als dass derzeit Ermittlungsverfahren gegen ihn laufen. Eine rechtskräftige Verurteilung hat es gegen ihn generell noch nie gegeben, geschweige denn im Zusammenhang mit Fußballspielen.

Die Fan-Hilfe Mönchengladbach kritisierte bereits in der Vergangenheit, dass massive Einschnitte in die Rechte von Fußballfans ohne eine Verurteilung stattgefunden haben. Kurios wird der vorliegende Fall aber insbesondere, wenn man sich die in der Folge genannten, einzelnen Vorfälle und polizeilichen Einschätzungen von Kalle ansieht.

Schauen wir uns im Folgenden einige der einzelnen Begründungen, die die Polizei aufführt, an:

Kalle ist also nach Bern gereist, viel mehr geht aus diesem Punkt nicht hervor. Es wurden bei der Kontrolle keine strafrechtlich relevanten Gegenstände gefunden, Kalle wurde keiner Straftat beschuldigt, generell ist es bei der besagten Kontrolle zu keinem einzigen strafrechtlich relevanten Vorfall gekommen.

Inwiefern die bloße Ausreise zum Spiel des Lieblingsvereins einen Teil der Begründung für einen massiven Eingriff in die Reisefreiheit eines Menschen darstellt, erschließt sich der Fan-Hilfe Mönchengladbach nicht.



Wurde hier vom Polizeipräsidium Köln ein Kölner Spitzel in der Mönchengladbacher Szene enttarnt? Wohl kaum: Kalle ist nicht nur durch und durch Borusse, sondern war auch nicht bei besagtem Vorfall auf der Jahnwiese dabei.

Viel mehr handelt es sich wohl um mehrere grobe Schnitzer, die zumindest die Frage aufwerfen, wie sorgsam man die Begründung der Betretungsverbote im Kölner Polizeipräsidium nimmt.

Kalle sei also seit 2007 in der Szene aktiv und war immer wieder Ziel polizeilicher Maßnahmen. Das ist insofern interessant, als dass er Jahrgang 1997 ist. Er wäre dann also seit seinem zehnten Lebensjahr ,,Problemfan‘‘. Wie man sich denken kann, handelt es sich hier allerdings um keinen Fall von ,,Früh übt sich‘‘, sondern um eine weitere schlicht und ergreifend falsch verwendete Begründung. Diese wirft daher die gleiche Frage auf wie im vorherigen Abschnitt.

Neben den letztgenannten Abschnitten, die die Frage nach der Sorgsamkeit der Begründung aufwerfen und dem Schreiben einen regelrecht absurden Charakter verleihen, stehen insbesondere die ersten Punkte sinnbildlich für unsere Kritik an der Vergabe der Verbote. Eine Kontrolle, bei der rein gar nichts passiert ist und die Tatsache, dass noch kein rechtskräftiges Urteil gegen Kalle vorliegt, bestätigen uns in unserer Auffassung, dass die Maßnahmen oft überzogen und vorschnell ausgesprochen werden.

Wie in der Vergangenheit rufen wir daher die zuständigen Polizeipräsidien dazu auf, ihre Praxis zu überdenken und mehr Sorgsamkeit bei der Vergabe walten zu lassen.

Alle Fans, die in Zukunft von Betretungsverboten betroffen sind, rufen wir dazu auf sich bei uns zu melden – wir helfen Euch!

Allen Borussen, denen es morgen erlaubt ist nach Köln zu fahren, wünschen wir einen stressfreien Spieltag. Sollte es doch zu Problemen kommen, erreicht ihr die Fan-Hilfe wie gewohnt unter unserer Notfallnummer: 0157/36759964

Fan-Hilfe Mönchengladbach